taz.de -- Kommentar Dieselgate in Rüsselsheim: Auch Opel stinkt
Ihre Autos hatten fast schon wieder unsere Symphatie erobert. Doch der neue Abgasskandal zeigt, dass doch niemand die Rüsselsheimer braucht.
Hallo, Opel! Eigentlich haben wir was für Losertypen übrig. Für Leute, die ein bisschen prollig, aber dafür mit Profil daherkommen. Selbst Opas mit Hut sind oft knuffige Kerle. Klar: Die fast 35.000 Opel-Mitarbeiter in Europa sind auch wichtig.
Und ja, es ist fraglich, ob Deutschland als Autostandort Opel überhaupt braucht. Aber spätestens als 2014 das Werk in Bochum geschlossen wurde und die Malocher die Kisten mit dem Blitz beweinten, haben wir Opel wieder lieb gewonnen. Den Kadett, den Ascona, den Senator, den GT – die Flachflunder mit den Klappscheinwerfern – und natürlich, nicht zu vergessen, den Manta.
Den Markenwiederaufbau, also den ganzen Marketingschnickschnack mit Heidi Klum und Jürgen Klopp haben wir mit Interesse beäugt. Und dass die Adam Opel AG mittlerweile 6,9 Prozent Marktanteil und erstmals seit fünf Jahren fast keine Miesen mehr einfährt, mit Respekt registriert.
Vielleicht hätten die aus Rüsselsheim es ja sogar eines Tages wieder geschafft, an VW vorbeizuziehen. Dieselgate hätte dabei helfen können. Aber: Dass Opel offenbar noch dreister betrogen hat als der Uraltrivale, ist total underwhelming. Die – bislang zuverlässigen – Untersuchungen von Deutscher Umwelthilfe & Co. zeigen: Die Abgasreinigung von Astra und Zafira Diesel wird deaktiviert, wenn schnell beschleunigt wird. Oder wenn die Außentemperatur unter 17 Grad Celsius fällt – also an fast zehn Monaten im Jahr. Was für Dreckschleudern!
Das ist sogar noch frecher als VW und der ganze Rest. Und das ist der Grund dafür, dass Opel vielleicht doch niemand braucht. Beim Thema Qualitätsmängel, einst schuldig an der Krise, hat sich nämlich offenbar nichts geändert: Früher waren es Rost, Verarbeitungsmängel, häufige Pannen und brennende Astra-Tanks, heute sind es Abgaswerte, die die Umwelt verpesten und schuld sind an Krankheit und Tod tausender unbedarfter Verbraucher.
Oder geht es Ihnen so, dass Sie auch das neue Opelgate nicht mehr hinterm Ofen hervorlockt? Machen ja alle? Die Industriegesellschaft braucht halt Mobilität? Dann sollten Sie schleunigst in die CSU von Verkehrsminister Alexander Dobrindt eintreten. Das ist der Mann, der sich beharrlich weigert, den größten deutschen Industrieskandal aller Zeiten aufzuklären.
13 May 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Früher half die VCD-Liste beim Erwerb von möglichst ökologischen Pkw. Nach Dieselgate haben sich seine Empfehlungen erledigt.
Seit Kurzem gibt es eine Milliarde Pkws weltweit. Höchste Zeit zum Schlussmachen! Aber wie bloß? Eine Beziehungstypologie.
Jetzt auch die Italiener: Deutsche Behörden werfen Fiat vor, bei Abgaswerten übel geschummelt zu haben. Doch die Firma blockt ab.
Die Autobranche weist den Weg: Limits für Schadstoffe sind was Schönes, weil sich keiner dran hält. Das erspart uns eine Menge Ärger.
Abgasaffäre und kein Ende: Nachmessungen des Verkehrsministeriums zeigen, dass viele Fahrzeuge mehr Kohlendioxid ausstoßen als angegeben.
Lange hielt die Regierung ihre Abgastests geheim. Jetzt sind erste Ergebnisse bekannt: Selbst im Labor stoßen einige Fahrzeuge zu viel Stickoxid aus.
Die Deutsche Umwelthilfe testet einen Opel Zafira Diesel und sieht „Indizien“ für Unregelmäßigkeiten. Der Konzern weist die Vorwürfe zurück.
Der Autobauer aus Rüsselsheim benimmt sich wie ein älterer Herr in Bundfaltenhosen, der nur noch mit bunt bebügelter Sonnenbrille auf die Straße geht.