taz.de -- Buchmesse in Leipzig: Mangamädchen und Rabenmütter

Gesellschaft ohne Fremdbestimmung: Das wünscht sich die Soziologin Orna Donath, die über Mutterschaft auf Druck der Gesellschaft forscht.
Bild: Figur der Selbstermächtigung: Catwoman auf der Leipziger Buchmesse.

Picklige Rücken, pubertäre Speckröllchen, verunsichertes Kichern. Die Cosplayer sind das Highlight auf den Leipziger Messegängen. Aufgeregte Menschenmengen bilden sich ansonsten nur, wenn Sahra Wagenknecht irgendwo auftritt.

Doch in Halle 1 ist immer Euphorie, da werden Perücken zurechtgerückt und wird zu Sailor Moon getanzt. Wie jedes Jahr findet parallel zur Buchmesse die Manga Convention statt, zu der Jugendliche aus der gesamten Republik anreisen, verkleidet als ihre liebsten Manga- oder Animefiguren.

Nicht nur die unglaublich aufwendigen Kostüme und Masken machen die Cosplayer so interessant. Beeindruckend ist vor allem das Selbstbewusstsein, mit dem hier 14-, 15-, 16-Jährige ihre Körper inszenieren, in winzigen Röckchen, BH-Tops oder eng anliegenden Overalls.

Im Cosplay, so scheint es, kann man gar nicht übertreiben, man stellt zwar eine Figur nach, aber wie originalgetreu sie ausstaffiert wird, ist einem selbst überlassen. Körpermaße sind dabei irrelevant. Gelungener Cosplay ist eher eine Frage der Haltung.

Keiner wird dich lieben

„Du wirst dich mit Straßenkatzen unterhalten! Keiner wird dich lieben!“, sagt Orna Donath mit verzogener Miene eine Halle weiter. Sie wünscht sich auch eine Gesellschaft, in der unsere Körper keiner Fremdbestimmung unterliegen. Die Soziologin, Ende 30, forscht an der Ben-Gurion-Universität in Be’er Sheva und bezeichnet sich als „mother of nobody“, weil sie kinderlos ist – aus eigenem Wunsch.

In ihrer Heimat Israel ist das ein Problem. Nicht nur von der Familie und am Arbeitsplatz werde Frauen das häufig vorgeworfen. Selbst Taxifahrer nannten Donath schon „selbstsüchtig“, weil sie angab, keine Kinder gebären zu wollen.

Schlecht stehe es auch um die, die bereits Kinder hätten und es bereuten, so Donath. Deshalb lässt sie diese verzweifelten Mütter in ihrem Buch „Regretting Motherhood“ zu Wort kommen. „Nur weil wir dieselben Organe haben“, sagt Donath im Gespräch mit Zeit-Redakteurin Susanne Mayer, „sind wir nicht gezwungen, sie auf dieselbe Art zu benutzen.“

In der israelischen Gesellschaft laste aber ein unheimlicher Druck auf Frauen, die sich der Fortpflanzung entzogen. Zu viele würden dem nachgeben, ohne es überhaupt zu wollen, manchmal sogar mehrfach. Drei Kinder seien das aktuelle Staatsideal. Tausende von Frauen outen sich inzwischen auf Twitter unter #regrettingmotherhood als Rabenmütter und teilen ihr Leid, wusste Donath. „Ich würde aber nie irgendwem sagen, dass sie keine Kinder kriegen sollte“, sagt Donath. Denn dann, so die Autorin, wäre sie ebenso autoritär wie jene, die das Gegenteil verlangten.

18 Mar 2016

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Fatma Aydemir

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