taz.de -- AfDler in Euroskeptiker-Fraktion der EU: Konservative werfen von Storch raus

Selbst die konservative EKR will von Storch und Pretzell nicht mehr in ihrer EU-Fraktion haben. Die AfD-Frau hingegen dementiert den Ausschluss.
Bild: Die Farbe stimmt schonmal – und bis zum verfassungsfeindlichen Zeichen fehlt auch nicht mehr viel: Beatrix von Storch

Berlin/Straßburg taz/afp | Die beiden AfD-Abgeordneten im Europaparlament Beatrix von Storch und Marcus Pretzell sollen die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) verlassen. Die EKR forderte die beiden auf, die Gruppe bis Ende des Monats zu verlassen. Falls sie sich weigern, sollen sie Mitte April zwangsweise ausgeschlossen werden, teilte EKR-Sprecher James Holtum am Mittwoch mit. Dies habe der Vorstand am Vorabend mit großer Mehrheit beschlossen, sagte Holtum weiter.

Auslöser ist eine Äußerung von Storchs über mögliche Schüsse auf Flüchtlinge, um diese am Grenzübertritt zu hindern. Von Storch wies diese Darstellung am Mittwoch zurück. Der Fraktionssprecher habe ein „falsches Bild der Entscheidung“ wiedergegeben. In der Fraktion gebe es „jetzt und in der Zukunft“ keine Mehrheit für ein Ausschlussverfahren, versicherte von Storch. Sie selbst und Pretzell seien weiterhin Mitglieder der EKR. Die britischen Tories würden nur als „Handlanger von Merkel und Cameron“ versuchen, der AfD vor den Landtagswahlen zu schaden.

Der frühere AfD-Abgeordnete Hans-Olaf Henkel, der Mitglied des Vorstands der EKR-Fraktion ist, nannte von Storchs Äußerungen „grotesk“. Die Aufforderung zum Austritt sei in dem 29 Mitglieder zählenden Vorstand mit „überwältigender Mehrheit“ beschlossen worden. Von Storchs gegenteilige Behauptung zeige, dass „sie es nicht so mit der Wahrheit hat“. Und sollte es zum Ausschlussverfahren kommen, werde es auch dafür eine große Mehrheit geben. „Die Wahrheit ist ein kostbares Gut, aber so sparsam wie Frau Storch sollte man damit nicht umgehen“, sagte Henkel weiter.

Den Anstoß für einen Austritt der AfD-Mitglieder hatte der Abgeordnete der deutschen Familienpartei, Arne Gericke, gegeben. „Dieser klare Schritt war längst überfällig“, erklärte er am Mittwoch. Die AfD sei „zunehmend radikal, rassistisch – unerträglich“. In der Fraktion werden der AfD auch enge Kontakte zu rechtsextremen Parteien vorgeworfen, etwa zu der französischen Front National (FR). Deren Chefin Marine Le Pen hat im Europaparlament eine eigene Gruppe gegründet.

Letzter Rest der bürgerlichen Fassade

Die EKR-Fraktion ist die drittstärkste Gruppierung im Europaparlament. Zu ihr gehören auch die britischen Konservativen und die nationalkonservative polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Die AfD stellte nach der Europawahl 2014 ursprünglich sieben Abgeordnete, von denen fünf aber später zu der nach parteiinternen Querelen gegründeten Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) wechselten, unter ihnen Henkel.

Von Storch hatte auf Facebook die Frage gestellt bekommen: „Wollt Ihr etwa Frauen mit Kindern an der grünen Wiese den Zutritt mit Waffengewalt verhindern?“. Sie antwortete mit „Ja“. Später bezeichnete sie dies als Fehler. Mit dem angedrohten Rauswurf aus der konservativen EKR-Fraktion verliere die AfD nun „auch den letzten Rest ihrer bürgerlichen Fassade“, kommentierte der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff.

9 Mar 2016

TAGS

Schwerpunkt AfD
EU-Parlament
Beatrix von Storch
Schwerpunkt Brexit
Martin Schulz
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Carsten Koschmieder
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD

ARTIKEL ZUM THEMA

Debatte Krise der Konservativen: Neurechte zu imitieren, hilft nicht

Die Neue Rechte ist nicht weniger als die Rückkehr einer faschistischen Potenz. Der gemäßigte Konservatismus braucht eine wählbare Alternative.

Eklat im EU-Parlamentsplenum: Rauswurf wegen Rassismus

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz wirft einen Abgeordneten wegen rassistischer Äußerungen raus – ein Mitglied der griechischen „Goldenen Morgenröte“.

Verletzte bei AfD-Kundgebung in Jena: „Compact“ im Polizeiwagen

Hunderte Polizisten sind im Einsatz, um AfD-Anhänger und -Gegner zu trennen. In einem der Einsatzwagen findet sich die rechtspopulistische Zeitschrift „Compact“.

Kommentar AfD-Ausschluss in Straßburg: Lodenmantel und Hasskappe

Die nationalkonservative EKR-Fraktion im EU-Parlament wirft von Storch und Pretzell raus. Das dokumentiert, wo die AfD steht: beim Front National.

Aufschwung der Berliner Afd: „Die AfD punktet in vielen Milieus“

Die Partei kommt bei denen an, die klare Ressentiments gegen Ausländer haben, sagt Parteienforscher Carsten Koschmieder.

Umgang mit Populismus: Schrill gegen laut

Die AfD fordert Schießbefehle und macht sich über gegenderte Sprache lustig. Die Gegenseite schreit laut zurück. Ist ein Dialog möglich?

Katharina Nocun über AfD-Programme: „Preußentum und Rassismus“

Die Netzaktivistin Katharina Nocun hat die Wahlprogramme der AfD analysiert. Im Interview verrät sie, warum ihr die Partei Angst macht.

AfD-Vize nach Schusswaffenäußerung: Von Storch spricht von einem „Fehler“

„Niemand will auf Menschen schießen“, sagt AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Ihre Aussage zum Schießen auf Flüchtlinge tue ihr Leid.

Kommentar zur AfD in Berlin: Es wird Zeit, die AfD anzugreifen

Die AfD landet in einer Umfrage bei 7 Prozent und wird damit relevant für den Wahlkampf. Was bedeutet das für die anderen Parteien?