taz.de -- „Tatort“ aus Norddeutschland: Der IS kommt nach Hannover
Ja, gegen Ende tauchen verwirrend viele Protagonisten auf. Ja, die Auflösung ist eher halbgar als gelungen. Aber „Zorn Gottes“ lohnt sich trotzdem.
Keine andere „Tatort“-Filiale scheint derzeit so nah dran an Themen, die unsere gesellschaftspolitischen Diskussionen spiegeln, wie der NDR mit Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring). Allein vier der sieben Fälle drehten sich um Schleuserbanden und das ganze brutale Geschäft mit geflüchteten Menschen (für „Verbrannt“ aus dem Herbst 2015 gab’s gerade zu Recht den Deutschen Fernsehkrimipreis) – nun eben auch „Zorn Gottes“, die erste Folge übrigens ohne Petra Schmidt-Schaller als die Partnerin von Falke.
Das Szenario ist das, was derzeit gerne als Horrorfall allen Flüchtlingen entgegengeschleudert wird: Ein IS-Terrorist kommt wieder nach Hause – nach Hannover.
Auf die Spur von Enis (Cem-Ali Gültekin) kommt die Polizei wegen einer Verwechslung, als ein Schleuserpärchen am Flughafen den Falschen abholen will; dass der im Handgemenge stirbt, ist ein Unfall, aber ebenjener Mord, der die Ermittlung ins Rollen bringt. Das kann man hier gut verraten, da die Chose schnell abgehakt wird und die Ermittler nicht mehr rasend zu interessieren scheint. Dafür aber eben die Spur zu dem Terrorverdächtigen.
Ja, gegen Ende lässt Drehbuchautor Florian Öller geradezu verwirrend viele Protagonisten auftauchen. Halbbrüder, Terrorkumpane, whatever. Ja, die Auflösung ist eher halbgar als gelungen, und ja, man fragt sich, wann Sebastian Schipper endlich mal wieder mitspielt. Aber dafür bekommt man Szenen von Regisseur Özgür Yildirim (drehte auch schon „Chiko“ und den Falke-Fall „Feuerteufel“), die erfrischend anders sind als sonst so sonntagabends.
Vor allem auf den nüchternen Schnack Falkes möchte man mit jeder Folge weniger verzichten. Gerade jetzt, wo er mit der Flughafenpolizistin Julia Grosz (Franziska Weisz) eine neue Partnerin findet. Lohnt sich.
20 Mar 2016
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