taz.de -- 100 Jahre Dada: Pinke Pinke art art urg
Mit Kunstbetrieb und Bourgeoisie wollten die Dadaisten nichts zu tun haben. Ihre Werke sind bei Sammlern umso begehrter.
München taz | Ein ziemlich dummes Gesicht hätten Hugo Ball, Hans (Jean) Arp und Tristan Tzara gemacht, hätte man ihre Flugblätter, ihre schnell und billig gedruckten Manifeste, ihre dünnen Zeitschriftenheftchen zu Collectors’ Items ersten Ranges erklärt. Das hätte automatisch ihr ganzes, auf Provokation angelegtes Programm verhagelt. Mit Kunstbetrieb und Bourgeoisie wollten sie nichts zu tun haben. Mit dem Kunstmarkt noch viel weniger. Ephemer sei die Kunst, weder greif- noch archivierbar. Dass die meisten der Bilder- und Wortstürmer es sich auch leisten konnten, auf materiell unterfütterte Anerkennung zu verzichten... sei’s drum.
Später, als sie sich längst zerstritten hatten, machten sich die Gründerväter ihren eigenen Namen. Da war aus Dada Surrealismus geworden, der muntere, sehr vermögende Frauen- und Autoverehrer Francis Picabia ein berühmter Maler, Arp einer der wichtigsten Bildhauer seiner Zeit, André Breton ein gravitätischer Dichter, und Hugo Ball war tot.
Wer heute die wichtigsten Belege aus der Gründungszeit der niemals sonderlich ernst gemeinten, eher einer absonderlichen Laune entsprungenen Dada-Bewegung kaufen und fein säuberlich in der Schublade aufheben will, muss sich wappnen. Mit Geld und Geduld. Diese Dokumente sind sehr selten geworden. Schlechtes Papier und mangelhaftes, über den Tag hinausgehendes Interesse hat ihnen nicht viel Überlebenschancen gelassen. Dieser Umstand steht wiederum diametral zum aktuellen Sammlerbegehren. Und schon greifen die unvermeidlichen Gesetze von Angebot und Nachfrage.
Für die beiden ersten 1917 in Zürich herausgegebenen, gerade mal 22 Seiten umfassenden Hefte der Zeitschrift Mouvement Dada mit Holzschnittillustrationen unter anderem von Arp, Enrico Prampolini und Hilla von Rebay, der späteren Initiatorin des Guggenheim-Museums, werden jeweils bis zu 5.000 Euro verlangt. Nach dem siebten Heft wurde die Zeitung eingestellt. Niemand hatte Lust, sich ausführlich und endlos mit etwas zu beschäftigen. Das wäre nicht mehr Dada gewesen.
Christian Hesse hat in seinem Hamburger Auktionshaus jüngst die in exzentrischer schwarzroter Dada-Typografie von Kurt Schwitters und Theo van Doesburg gestaltete Einladungskarte (knapp 30 x 30 Zentimeter für die „Kleine Dada Soirée“ in Den Haag (man befand sich im Jahr 1923 auf großer Tournee) bei 9.000 Euro zugeschlagen. Tristan Tzara veröffentlichte, bevor er sich 1919 nach Paris verabschiedete, „Vingt-cinq poèmes“ mit zehn Holzschnitten von Arp. Ein Exemplar mit Widmung an den später mit André Breton die surrealistische Bewegung dirigierenden Philippe Soupault reichte Hesse für 8.500 Euro weiter.
In Köln löste derweil Dada-Jünger Max Ernst (aka Dadamax) mit der Schau „Dada-Vorfrühling“ einen Riesenskandal aus, denn Besucher erreichten den Ausstellungsraum erst, nachdem sie ein Pissoir durchquerten und an einem unschuldig weiß gekleideten Mädchen, das obszöne Gedichte rezitierte, vorbeigegangen waren. Das erste und einzige Heft seiner im selben Jahr gegründeten Zeitschrift Die Schammade (dilettanten erhebt euch) mit Illustrationen von ihm, Picabia und anderen erzielte 2013 bei Christie’s, Paris, über 16.000 Euro.
Sollte Sammlerinteresse aufgekommen sein, ist der Erwerb der von William S. Rubin 1968 erstellten Bibliografie „Dada, Surrealism, and Their Heritage„ anzuraten. So ließe sich – völlig undadaistisch – System ins Vorhaben bringen.
7 Feb 2016
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