taz.de -- Warum dauert das so lange?: Auf der UN-Komakonferenz

Klimakonferenzen dauern viel zu lange und nerven alle. Aber so ist das nun mal in selbstverwalteten Betrieben. Hat jemand eine bessere Idee?
Bild: Kleines Nickerchen im Ruheraum auf der Klimakonferenz.

Paris taz | Klimakonferenzen sind aus dem gleichen Grund nervtötend, aus dem Schulkinder ihre Hausarbeiten morgens im Bus machen und in der taz niemand den Redaktionsschluss einhält.

Denn eigentlich ist die globale Basisdemokratie namens UNO ein einziger selbst verwalteter Betrieb. Und so sieht das Ergebnis dann auch aus. Neben all den Vorteilen dieser Organisationsform – Mitsprache, Minderheitenrechte, Mindestlohn – gibt es ein paar strukturelle Eigenheiten:

Es ist zwar alles gesagt, aber noch nicht von jedem. Unbeschränktes Rederecht für noch den kleinsten Zwergstaat führt zu endlosen Debatten.

Es gibt kein fixes Enddatum. Freitag, 18 Uhr, ist Schluss, aber man kann ja einfach die Uhr anhalten oder weitermachen.

Chefs sind doof. Die Delegierten bestimmen wie in manchen Betrieben (die taz natürlich ausgenommen) ein armes Schwein, das den Laden zusammenhalten muss, nächtelang nicht schläft, nur von Kaffee lebt und sich wüst beschimpfen lassen muss. Durchsetzen kann er gar nichts, sondern muss freundlich lächeln, denn das hier ist ein …

Party-driven process. Das hat leider nichts mit einer Feier zu tun, sondern bedeutet: Die Vertragsparteien, also die Staaten, machen nur, was sie wollen. Zwingen kann sie keiner zu irgendwas. Schon gar kein Chef.

Dafür gibt es die Übermüdung. Nach ein paar durchgemachten Nächten sind selbst harte Brocken von Verhandlern weichgekocht und wissen nicht mehr, wo vorn und hinten ist. Eine gute Gelegenheit, einen wichtigen Vertrag zu unterschreiben! Arme Staaten mit kleinen Delegationen (k)nicken naturgemäß früher ein.

Verhandler haben kaum Spielraum. Über wirklich wichtige Dinge wird zu Hause entschieden. Was es auch nicht einfacher macht.

Denn es geht um viel. Für manche um alles. Und wer vom Export von Öl oder Kohle abhängt, der zögert Emissionsziele schon mal gern ein paar Jahre hinaus. Was am besten geht, wenn man Sand ins Getriebe streut: durch langes Reden, Anträge zur Geschäftsordnung, Einsetzung von Unterausschüssen oder unmögliche Forderungen.

Und auch für viele Opfer des Klimawandels geht es um viel: Manchmal schlicht ums Überleben. Da sinkt die Bereitschaft zu Kompromissen.

Und jetzt das Allerschlimmste: Niemandem ist bisher eine bessere Idee gekommen, um 195 souveräne Staaten dazu zu bringen, gleichzeitig ihre Volkswirtschaften umzubauen, die Armut zu bekämpfen, wertvolle Rohstoffe nicht auszubeuten und sich mit der mächtigen Energieindustrie anzulegen. Da gibt es schon ab und zu ein bisschen Gesprächsbedarf. Am besten im Plenum!

11 Dec 2015

AUTOREN

Bernhard Pötter

TAGS

Schwerpunkt Klimawandel
Verhandlungen
UN
Ökostrom
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel

ARTIKEL ZUM THEMA

Dekarbonisierung in Deutschland bis 2050: Wohnen, reisen und essen ohne Kohle

Dekarbonisierung ist möglich. In einigen Bereichen ist die nötige Technik schon da, in anderen braucht es noch Innovation – oder Verzicht.

Wissenschaftler zum Klimaentwurf: Note Fünf, setzen!

Fünf Klimaexperten nehmen den vorläufigen Vertrag unter die Lupe. Das Fazit: Schöne Ziele, aber es wird zu wenig für ihr Erreichen getan.

UN-Klimakonferenz geht bis Samstag: Unentschieden, Verlängerung

Das Ende der Pariser Klimakonferenz verzögert sich. Trotz Nachtsitzungen konnten sich die 195 Staaten bisher nicht auf ein Abkommen einigen.

Die Blockierer des Klimagipfels: Sieben große Bremser

Die Minister sind da, es kann richtig losgehen. Von wegen: Es herrscht große Entschleunigung, weil ein paar Länder blockieren.

Spionage beim Klimagipfel: Geheimdienstsache Klimawandel

Das Hackerkollektiv Anonymous will offenbar die Website der Klimakonferenz angreifen. Die Geheimdienste hören öfter mal ab.

Absurditäten auf dem Klimagipfel: Wenn Männer zu sehr klammern

Wie kann man sich die Klima-Verhandlungen vorstellen? Wie ein Puzzle mit 1.500 Teilen, das 50 Menschen auf ihre eigene Art lösen wollen.

FAQ zur UN-Klimakonferenz: Paris? Was machen die da eigentlich?

Die Klimakonferenz in Paris ist ein Riesenereignis. Aber worum geht es überhaupt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

UN-Klimakonferenz in Paris: Klimadiplomatie ohne Gedöns

Die Verhandlungen gegen die Erderwärmung werden zu sehr von Männern dominiert, kritisiert das Frauennetzwerk „Women for Climate Justice“.