taz.de -- Deutsche Landwirtschaft auf der COP21: Der unwillige Oberbauer

Landwirtschaft ist in Deutschland die zweitgrößte Quelle von Treibhausgasen. Agrarminister Schmidt kämpft dafür, dass sich daran nichts ändert.
Bild: Die Bauern in Deutschland sind für rund 12 Prozent der deutschen Treibhausgase verantwortlich.

Paris taz | Wenn die ganze Welt in Paris über Klimaschutz diskutiert, dann will auch der deutsche Landwirtschaftsminister nicht fehlen. Das ist nachvollziehbar, denn die Bauern in Deutschland sind für rund 12 Prozent der deutschen Treibhausgase verantwortlich – die Landwirtschaft ist damit der zweitgrößte Klimasünder nach der Energiewirtschaft und noch vor der Industrie.

Doch über Landwirtschaft als Klimasünder will Christian Schmidt in Paris nicht so gern reden. „Die Landwirtschaft darf nicht zum Sündenbock der Klimaschützer werden“, erklärte der CSU-Mann am Dienstag. Lieber sieht er sie „als Teil der Lösung der Klimaherausforderung“.

Und Schmidt betont, dass die Landwirtschaft bereits große Fortschritte gemacht habe: So sei der Ausstoß an Treibhausgasen seit dem Jahr 2000 um 23 Prozent gesunken, während die Produktion um 18 Prozent zunahm. Was der Minister lieber nicht erwähnt: In den letzten zehn Jahren sind die klimaschädlichen Emissionen der Landwirtschaft konstant geblieben, zuletzt war sogar wieder ein Anstieg zu verzeichnen.

Der Anwalt der Landwirte

Die größten Probleme sind Methan, das bei der Rinderhaltung entsteht, und Lachgas, das beim übermäßigen Düngen freigesetzt wird. Daneben wird viel Kohlendioxid freigesetzt, wenn Moore trockengelegt oder Grünlandflächen in Äcker umgewandelt werden.

Dass sich daran kurzfristig etwas ändert, ist nicht abzusehen. Schmidt sieht sich eher als Anwalt der Landwirte. Und die lehnen neue Vorschriften ab, die sie zu mehr Klimaschutz zwingen würden. So gibt es noch immer keine Einigung über eine neue Düngeverordnung, die das Ausbringen von Gülle und Kunstdünger beschränken soll, um Grundwasser und Klima gleichermaßen zu schützen.

Die EU droht darum bereits mit einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Hier gebe es noch „Detaildiskussionen“, räumte Schmidt ein. Er hoffe aber, „noch in diesem Jahr“ einen Entwurf bei der EU einreichen zu können.

Anderes Futter für weniger Rinderpups

Zu einer besseren Klimabilanz beitragen würde auch eine deutliche Ausweitung des ökologischen Landbaus. Dieser verursacht wegen des Verzichts auf Kunstdünger und einer Limitierung von Gülle-Ausbringung weniger Emissionen. Doch auch davon hält Schmidt nicht viel. „Ohne effiziente Landwirtschaft kann die Welternährung nicht gesichert werden“, sagt der Landwirtschaftsminister. Auch eine Förderung der vegetarischen Ernährung, die weitaus klimafreundlicher ist, strebt Schmidt nicht an: „Fragen über die Form des Konsums stehen ganz am Ende.“

Statt auf konkrete Veränderungen in Deutschland setzt der Minister lieber auf verstärkte Forschung. So solle geklärt werden, wie veränderte Fütterung die Emissionen von Tieren vermindern könne und wie mehr Kohlenstoff im Boden gebunden werden kann. Dabei denkt Schmidt vor allem an andere Weltregionen. Notwendig seien „relativ einfache Lösungen“, die sich „gerade in Afrika“ realisieren lassen. Schon jetzt unterstützt Deutschland Initiativen, die Palmöl und Kakao klimafreundlich produzieren.

Im Bundesumweltministerium, das mit dem Agrarressort in vielen Fragen, wie etwa der Düngeverordnung oder dem Waldschutz, über Kreuz liegt, wird der Besuch des Landwirtschaftsministers in Paris dennoch begrüßt. „Ich freue mich, dass er hier ist“, sagte der deutsche Verhandlungsführer Karsten Sach am Dienstag. Seine Kritik verpackt er diplomatisch: „In einigen Bereichen wird die Diskussion noch nicht so intensiv geführt wie im Energiebereich“, so Sach. Es sei gut, wenn auch diese sich nun beteiligten.

Wir brauchen mehr Wald

Auf der Klimakonferenz in Paris spielt Wald- und Forstwirtschaft eine wichtige Rolle. Weltweit gehören die Ausweitung landwirtschaftlicher Produktion auf bisher ungenutzte Flächen sowie die Abholzung von Wäldern zu den größten Quellen von Treibhausgasen. Umgekehrt kann durch Aufforstung viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre gebunden und der Klimawandel gebremst werden. Mit Waldschutz ließe sich nach UN-Schätzungen weltweit etwa ein Drittel der notwendigen Treibhausgas-Reduzierung erreichen.

Auch der britische Thronfolger Prinz Charles hat daher in Paris für einen besseren Schutz der Wälder geworben. „Da all der Horror einer selbst nur zwei Grad wärmeren Welt wehtun wird, werden wir viel mehr Wald brauchen“, sagte er am Dienstag. Ein leichter Rückgang der Abforstungsrate reiche dazu nicht aus. Seit 1950 habe die Welt mehr als 500 Millionen Hektar Regenwald verloren, betonte der Prince of Wales.

Um diese Entwicklung aufzuhalten, hat Deutschland am Montag zusammen mit Norwegen und Großbritannien angekündigt, die Finanzmittel zum Schutz und Wiederaufbau von Tropenwäldern deutlich zu erhöhen. Im Zeitraum von 2015 bis 2020 wollen die Staaten insgesamt 5 Milliarden Dollar dafür einsetzen; auf Deutschland entfallen 1,1 Milliarden Dollar.

Geld sucht Projekte

Eine erste konkrete Vereinbarung mit einem Volumen von bis zu 100 Millionen Dollar unterzeichneten Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Montag mit Kolumbien. Für jede Tonne CO2, die durch Waldschutz nachweislich vermieden wird, bekommt das Land 5 Dollar. „Um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, müssen wir den globalen Waldverlust stoppen.“

Ob die zugesagten Gelder zusätzlich zu den jährlichen 500 Millionen Euro ausgezahlt werden, zu denen sich Deutschland im Rahmen der Biodiversitätsförderung verpflichtet hat, ist offen. Zwar fehlt es nicht an Geld, doch gibt es kaum Staaten, die es im Gegenzug für konkrete Waldschutzzusagen annehmen wollen. „Wir haben den Spielraum“, sagte Ingrid Hoven, Abteilungsleiterin im Bundesentwicklungsministerium. „Wir müssen aber sehen, ob genug Länder mitziehen.“

2 Dec 2015

AUTOREN

Malte Kreutzfeldt

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