taz.de -- Die Wahrheit: Sarkastisches Klatschen
Es gibt einen Namen dafür. Für das Grauen. Für das, was schlechte Bösewichte in Filmen machen. Die dümmste Geste aller Zeiten.
„O mein Gott!“, schoss es mir durch den Kopf, „sie haben einen Namen dafür!“ Für etwas Entsetzliches! Für das Unaussprechliche!
Mein Leben rauschte wie in Zeitlupe an mir vorbei. Es war, als wollte mein Gehirn mich auf etwas hinweisen. Grässliche Dinge spielten sich vor meinen inneren Augen ab: Bären in einer Zirkusmanege, die sich auf Kleinkindfahrrädern zum Affen machen müssen. Affen im allgemeinen! Clowns!! Die „Gemeine Winkelspinne“!!!
Aber all das war es gar nicht, worauf mein Gehirn mich hinweisen wollte. Mit all diesen Schrecken war ich schon zu vertraut, all das war längst schon benannt, hatte einen Namen und kam nicht überraschend. Es musste etwas viel Schlimmeres sein, wenn mein Gehirn sich so viel Mühe gab, es nicht an mich heranzulassen. Ich dachte nach.
Dann rauschte mein Leben wieder wie in Zeitlupe an mir vorbei – bis zum gestrigen Fernsehabend. Und da war es. Das blanke Entsetzen! Es leuchtete in flammend roten Buchstaben vor mir auf und warf mich fast darnieder: „Sarkastisches Klatschen“ stand als Untertitel unter einer Filmszene, in der ein gerade ertappter Bösewicht betont langsam dreimal in die Hände klatschte, um seinem Gegenspieler zu zeigen, dass er sich ertappt fühle, aber immer noch eine Karte im Ärmel habe.
„O mein Gott, sie haben einen Namen dafür“, dachte ich abermals. All die Edgar-Wallace-Filme kamen mir wieder auf die Leinwand meines Kopfkinos, James Bond und Fantomas – irgendein Bösewicht klatscht früher oder später betont langsam dreimal in die Hände. Und dann wird er entweder verhaftet oder er bringt sich um. Oder er sprengt die Welt in die Luft. Das ist ja auch okay, aber muss man das wirklich benennen?
Sarkastisches Klatschen! Das erste Mal wahrgenommen habe ich es in der Verfilmung von Agatha Christies „Tod auf dem Nil“ mit dem göttlichen Peter Ustinov. Der Mörder klatscht herablassend dreimal extrem gelangweilt in die Hände, dann erschießt seine Komplizin erst ihn und dann sich! Da wurde ich als Kind schon leicht unwirsch.
Seither kommt fast kein Film mehr ohne dieses „Sarkastische Klatschen“ aus! Ich verwette meine Seele darauf, dass sogar der nette Österreicher, der gerade in Hollywood so berühmt geworden ist, dessen Name mir aber nicht einfällt, schon in irgendeinem Film sarkastisch geklatscht hat. Oder noch sarkastisch klatschen wird. Will wer dagegen wetten?
Es ist das langweiligste Stilmittel der Welt. Aber mich bringt es in Rage, wenn ich es entdecke. Da werde ich zum Berserker und haue alles kurz und klein, was um mich herum ist. Ich hasse diese sarkastischen Klatscher, und jeder von ihnen, der mir zu nahe kommt, wird es zu spüren bekommen: „Patsch, patsch, patsch“, schlage ich betont langsam und bedeutungsschwanger meine Hände auf ihre Ohren, herablassend und wohl wissend, dass ich dafür als nächstes verhaftet werde und auf den elektrischen Stuhl komme – aber das ist es mir wert! Denn wer zuletzt sarkastisch klatscht, klatscht am besten!
24 Nov 2015
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