taz.de -- Manager über Energiewende: „Es fehlt der Business Case“
Karsten Löffler über den Profit der Versicherer an den Risiken des Klimawandels, die Finanzierung der Vorsorge und Rechenprobleme.
taz: Herr Löffler, Sie fahren für die Allianz zum Pariser Klimagipfel. Was haben Sie mit der Klimakrise am Hut?
Karsten Löffler: Die Allianz versichert Risiken. Der Klimawandel ist ein großes und schwer kalkulierbares Risiko. Und die Versicherungswirtschaft verfügt über die Expertise, mit großen Risiken umzugehen. Deshalb bringen wir uns ein.
Dass Sie an Risiken verdienen, ist klar. Aber wie beteiligen Sie sich an der Risikovermeidung?
Ein Beispiel: Eine Kommune kann ihre Risiken durch Hochwasser mindern, indem sie in Überschwemmungsgebieten keine Bebauung zulässt. Hier unterstützen wir mit der Modellierung von Risiken. Im Hinblick auf den globalen Klimawandel gibt es aber noch viele Defizite.
Welche denn?
Wir sehen etwa, dass es in entwickelten Ländern umfassende Versicherungslösungen für Landwirte gibt, um Ernteerträge vor Umweltgefahren abzusichern. Diese Versicherungen werden teils bis zu 80 Prozent staatlich subventioniert. So sichern Staaten sich und ihre Bauern ab.
Das ist doch kein Defizit, sondern ein Traum für Sie: gigantische Versicherungspakete, staatlich finanziert.
Das Problem ist, dass in vielen Entwicklungsländern, die der Klimawandel besonders trifft, solche Lösungen meist noch nicht existieren. Dabei geht es nicht nur ums Geschäft, sondern vor allem um die Existenz der Kleinbauern, die eine Dürre direkt in die Armut stürzen kann.
Für Sie lauert da gigantisches Marktpotenzial.
Selbst wenn das theoretisch stimmt, stimmt es in der Praxis nicht unbedingt. Die Risiken sind da, aber wir können sie häufig noch nicht berechnen. Es mangelt beispielsweise oft an Daten zum landwirtschaftlichen Ertrag, auf deren Basis wir Geschäftsmodelle für diese Risikogruppen entwickeln können. Es fehlt der Business Case.
Die Allianz tut sich schwer damit, Versicherungsprodukte zu entwickeln?
Die Herausforderung ist keineswegs trivial. Wenn wir nicht wissen, mit welchen Schäden zu rechnen ist, lässt sich keine Bepreisung vornehmen, die auf Schadensfrequenzen und Schadenshöhen basiert. Andere Fragen sind: Wie kann man Kleinbauern kosteneffizient und möglichst direkt erreichen? Passt die mathematisch ermittelte Höhe zur Zahlungsfähigkeit in den Ländern? Hier braucht es Lösungen, die staatliche Stellen und lokale Gemeinschaften einbeziehen.
Nennen Sie mal ein Beispiel.
Die African Risk Capacity ist eine Dürreversicherung in mehreren afrikanischen Ländern, die unter dem Dach der Afrikanischen Union und mit Unterstützung der Weltbank an einem Versicherungspool teilnehmen. Bei einer Dürre sind die Bauern abgesichert. Das zeigt: Wenn Staaten und Versicherer zusammenarbeiten, funktioniert es.
Wie viele neue Verträge bringen Sie denn dann aus Paris mit nach Hause?
Keine. In Paris geht es auf politischer Ebene um einen belastbaren Rahmen für die 2-Grad-Ambition. Wir wollen dazu die Anforderungen verstehen und unseren Beitrag dafür entwickeln. Und der Gipfel ist wichtig, um ein klares Signal an Investoren zu senden.
Wieso? Sie können doch einfach aufhören, Ihr Geld in Unternehmen wie Shell oder Exxon zu pumpen.
Die Allianz ist bereits der führende Finanzinvestor in regenerative Energien. Wir wollen unsere Investitionen in Sonne und Wind verdoppeln. Aber ohne klare politische Ansage gibt es zu wenige Projekte. Da wir nicht spekulieren, sondern für die Altersvorsorge unserer Kunden investieren, brauchen wir langfristig verlässliche Rahmenbedingungen.
Was erwarten Sie von Paris?
Unsere Botschaft ist klar: Eine Low-Carbon-Ökonomie, die weitestgehend auf regenerativen Energien basiert, wäre für das Klima, die Gesellschaft und die Wirtschaft eine echte Entwicklung. Ein einziges Prozent des Anlagekapitals der Versicherer und Pensionsfonds würde ausreichen, um die Energiewende weltweit zu finanzieren. Die wollen und sollen wir nicht allein finanzieren, aber das Umsteuern in der Klimapolitik wird sicherlich nicht am Geld scheitern müssen.
13 Nov 2015
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