taz.de -- Russische Luftangriffe in Syrien: Das Problem Assad
Der US-Außenminister und sein russischer Amtskollege sind in der UNO zu Gesprächen zusammengekommen. Konflikte sollen vermieden werden.
NEW YORK taz | Wenige Stunden nachdem russische Militärflugzeuge [1][erstmals Bomben über Syrien] abgeworfen hatten, traten am Mittwochabend am UNO-Sitz in New York US-Außenminister John Kerry und sein Kollege aus Moskau, Sergej Lawrow, gemeinsam vor die Medien. Das zentrale Stichwort ihres kurzen Auftritts lautete „Deconfliction“. Möglicherweise sollen noch am Donnerstag Militärs beider Länder Gespräche zur Konflikvermeidung aufnehmen. Sie sollen, so Lawrow: „Gesprächskanäle eröffnen, um unbeabsichtigte Zwischenfälle zu vermeiden“.
Der erste „Zwischenfall“ könnte bereits am Mittwoch eingetreten sein. Nach Angaben von syrischen Oppositionellen im Exil haben die russischen Bomben nicht die Terrororganisation „Islamischer Staat“ anvisiert, sondern Assad-Gegner, die mit den USA zusammenarbeiten. Khaled Hoja, Chef der „Syrian Revolutionary and Opposition Forces“ sagte, die Luftangriffe in der Region von Homs hätten 36 Zivilisten getötet, aber keine IS-Kämpfer. „Die Angriffe von Mittwoch beweisen dass Russlands Ziel in Syrien nicht die IS-Milizen, sondern Anti-Assad-Rebellen-Gruppen sind“, erklärte auch der Sprecher der oppositionellen Shamia Front, Salez al-Zein.
In Washington schien Verteidigungsminister Ashton Carter diese Position zumindest ernst zu nehmen. Bei einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag sagte er, die russischen Bomben würden Öl ins Feuer in Syrien schütten. Sie könnten den „Bürgerkrieg entflammen“. Carter bestätigte die Berichte über die anderen Angriffsziele zwar nicht. Er mahnte aber an, dass es, falls sich diese bewahrheiten sollten, negative Konsequenzen für Russland hätte.
Der rechte TV-Sender Fox, der Barack Obamas Syrien-Strategie seit langem attackiert, fasst die Berichte der Oppositionellen so zusammen: „Die Russen haben möglicherweise die eine Gruppe in Syrien angegriffen, die Amerika tatsächlich unterstützt“.
Suche nach schnellen Lösungen
Nur zwei Tage vor dem Beginn der russischen Bombardements hatte Wladimir Putin in New York sein erstes [2][Vier-Augengespräche mit Obama] seit Jahren gehabt. Zuvor hatte der Russe in einer Rede vor der UNO-Vollversammlung dem US-Präsidenten vorgeworfen, die Bomben der USA, Frankreich und anderen westlichen Ländern würden gegen das internationale Recht verstoßen. Er hatte auch gesagt, dass er Assad als Verbündeten betrachte.
US-Außenminister John Kerry, der bei seinem Presseauftritt am Mittwoch von seinem russischen Amtskollegen mehrfach als „Sergej“ sprach, geriet umgehend wegen seines Tons in die Kritik. Er klang deutlich versöhnlicher gegenüber Moskau, als Präsident Obama zwei Tage zuvor in der UNO. Obama sieht keine mögliche Lösung mit Assad, der „sein eigenes Volk bombardiert“.
Bei den Außenministern hingegen klingt es, als gäbe es lediglich Unterschiede in den Nuancen. „Wir alle wollen ein demokratische, vereintes und sekuläres Syrien“, sagte Lavrov während Kerry neben ihm nickte, „aber wie haben ein paar Differenzen in den Details, wie wir dahin kommen“. Kerry fügte etwas später hinzu: „Wir hatten ein konstruktives Treffen.“ Allerdings sprach er auch von amerikanischen „Sorgen“ bei der „Natur der Angriffsziele“. Er kündigte an, dass die militärische „Deconfliction“ sehr bald nach Lösungen suchen müsse.
Kritik an Obama
Mit russisch-US-amerikanischen Militärabsprachen über Bombardements gibt es wenig Erfahrungen. Um Komplikationen zu vermeiden hat Russland am Mittwoch offenbar eine Stunde vor seinem Luftangriffen in Syrien die US-Botschaft in Bagdad informiert.
Die Kritiker von Obamas Syrien-Strategie betrachten das russische Eingreifen als eine zusätzliche Schwächung der USA. Der Chef des Armee-Kommitees im Senat, der Republikaner John McCain, machte Obamas „Führungsschwäche“, sowie seine „leeren Worte“ und „überschrittenen roten Linien“ dafür verantwortlich, dass Putin nun in Syrien auf Konfrontationskurs gehe.
1 Oct 2015
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