taz.de -- Berliner Szenen: Lebenslauf einer Matratze
Beleidigende Kampfradler sind nicht das Einzige, was Rückenschmerzen bereiten kann. Olle Matratzen jedoch sollten bei der BSR entsorgt werden.
„Stirb, du Asi!“ Hatte der mich gemeint? Er fuhr schnell an mir vorbei, ein Kampfradler, dachte ich, mit kleinem Rucksack und Fahrradhelm. Aber warum? Weil ich die Ampelphase vor ihm antizipiert hatte und bei Rot losgefahren war? Hat das wirklich irgendwen gestört, außer vielleicht ihn? Seltsame Welt.
Eine Weile war ich verwirrt. Ich dachte an die Aktion mit der Matratze zu Hause und beschaute misstrauisch jeden Radfahrer mit Helm, der mir begegnete. Ich hätte den Kampfradler gern zur Rede gestellt. Im ersten Moment war ich dafür zu baff gewesen. Als ich zu Hause ankam, hatte sich die Matratze bis vor die Haustür gewagt. Ich hatte wegen des andauernden Rückenleidens eine neue Matratze gekauft. Und, weil es nach 15 Jahren Zeit wurde, eine neue zu kaufen.
Die alte hatte ich, weil ich es nicht besser wusste und zu bequem war, die BSR anzurufen, neben der Mülltonne im Hinterhof platziert, in der Hoffnung, die Müllabfuhr würde sie schon mitnehmen. Stattdessen stand sie kurz darauf im Hausflur. Als ich mich langweilte, erstellte ich einen Lebenslauf. Die Karriere einer Matratze. Mit wem ich schon alles auf der alten Matratze geschlafen hatte. Die nächsten Tage sah ich noch einige Male schuldbewusst auf das olle Ding, das sich mittlerweile neben dem alten Kühlschrank der Nachbarn platziert hatte.
Ja, ich fühlte mich schuldig. Ich fuhr manchmal über Rot, ich war eine Umweltsau, und die neue Matratze hatte ichmir sogar im Netz bestellt und per Zubringer kommen lassen! Aber „Stirb, du Asi!“, das hatte ich dann doch nicht verdient. Kurze Zeit später war die Welt wieder in Ordnung. Kühlschrank und Matratze waren abgeholt worden. Die neue Matratze, Kaltschaum, sieben Zonen, offenporig und atmungsaktiv, ist übrigens super.
8 Sep 2015
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