taz.de -- Der neue Schweizer „Tatort“: Morden und Gähnen in Serie

Der „Tatort“ ist aus der Sommerpause zurück, ein Scharfschütze schießt in Luzern um sich. Ein toller Auftakt sieht anders aus.
Bild: Bei Technikfragen: „Tatort“ schauen. Antoine Monot Jr. in „Ihr werdet gerichtet“.

Nur eine Minute ist rum, da macht es „BÄM!“. Na gut, eher: „Pflck“. Und der Kopf eines Manns explodiert auf offener Straße. Scharfschütze halt. Holla, Schweizer „Tatort“, was für ein toller Auftakt nach der Sommerpause.

Denkste. Lange hält dieses Hochgefühl nicht an. Die Story von „Ihr werdet gerichtet“ über Selbstjustiz ist eine dieser seltenen „Tatort“-Folgen, in denen der Zuschauer von Anfang an den Täter kennt – und genau da liegt das doppelte Problem.

Denn die Geschichte von Drehbuchautor Urs Bühler über einen Autohändler, der lauter ungesühnte Verbrechen in Luzern rächt, indem er Vergewaltiger, Fahrerflüchtige, Schläger abknallt, ist halt eh nicht rasend spannend.

Dann noch gleich zu verraten, wer der Serienmörder ist, den die Kommissare Reto Flückiger und Liz Ritschard (Stefan Gubser und Delia Mayer, denen man wirklich gerne zuschaut – für Plot und Kollegen können sie ja nix) suchen, ist also nur kontraproduktiv. Und als „Sozialstudie“ entschädigt die Folge auch nicht.

Der andere Haken, den Täter sofort sichtbar in den Mittelpunkt zu rücken, ist der Autohändler selbst. Genauer: Antoine Monot jr. (bekannt als Werbegesicht einer Elektromarktkette), der ihn so unfassbar gekünstelt spielt, dass man nicht nur die Mini-Nebenrolle vom tollen Mišel Matičević fast übersieht, sondern sich kaum mehr über die miese Synchronisation vom Schwyzerdütsch aufregen mag, die einem das Zuschauen jedes Mal verleidet. Über schwer verständliches TV-Bayerisch plappert ja auch keiner in Hochdeutsch drüber.

Umso bedauerlicher, weil Regisseur Florian Froschmayer sonst mehr Glück hat (Tipp: seine Schmonzette „Süßer September“ mit Caroline Peters am 25. 9. in der ARD). Aber sicher kommt der „Tatort“ erst nächste Woche richtig aus dem Urlaub – mit dem zweiten Fall des neuen Frankfurter Ermittlerduos.

6 Sep 2015

AUTOREN

Anne Haeming

TAGS

Tatort
Luzern
TV-Krimi
Tatort
Tatort
Tatort
Tatort
Tatort

ARTIKEL ZUM THEMA

„Tatort“ aus Luzern: Kein Orden für Originalität

„Spring!“, flüstert eine Stimme und ein Mann springt von einer Autobahnbrücke. Die Zuschauer wissen mehr als die Kommissare: Das war kein Suizid.

„Tatort“ aus München: Eine Münchner Horrorshow

Es ist Wiesn-Zeit, auch im „Tatort“ aus München, bierseeliger Wahnsinn inklusive. Dabei bleibt es nicht bei Alkoholleichen.

„Tatort“ aus Frankfurt: Justus, der beste Arschloch-Darsteller

Im „Tatort“ aus Frankfurt am Main regnet es Geld. Und Bänker. Den empathielosen Sitten-Chef lässt das kalt. Er ist ein Arschloch, aber ein gutes.

Forderung von Tatort-Schauspielern: Zeit für homosexuelle Kommissare

Im Münsteraner Tatort mimten Boerne und Thiel ein schwules Pärchen. Nun fordern sie mehr „echte“ lesbische oder schwule ErmittlerInnen.

Nach der zweiten Folge ist Schluss: Aus für Erfurter „Tatort“

Vor 14 Monaten war das junge „Tatort“-Team aus Erfurt erstmals auf dem Bildschirm zu sehen. Nun verabschieden sich zwei Schauspieler des Ermittlertrios.

Neue US-Fernsehserien: Vergesst den „Tatort“!

Wenn in den USA in den letzten fünf Jahren etwas besser geworden ist, dann sind es die TV-Serien. Welche neuen Perlen gibt es im Herbst?