taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Die Welt zu Gast in Russland

Sogar die Fifa verzichtet zugunsten des WM-Gastgebers 2018 auf einen Antirassismus-Aktivisten. Damit blamiert sie vor allem sich selbst.
Bild: Schon alles vorbereitet.

„Die Welt zu Gast bei Freunden“. Eine Neuauflage des Mottos der Fußball-WM 2006 in Deutschland würde sich für die Endrunde in Russland 2018 womöglich nicht empfehlen. Denkt man doch vielerorts derzeit eher über weitere Sanktionen nach, wenn es um die Gestaltung der Beziehung zu Russland geht, und umgekehrt vielleicht über weitere Annexionen. Und dennoch war die Welt dank des Sports zuletzt ständig zu Gast in Russland und wird es weiter sein.

An diesem Wochenende ist schon wieder mächtig was los. In St. Petersburg werden am Samstag bei der Auslosung der Qualifikationsgruppen für die Fußball-WM 2018 im eigenen Land Staatschef Wladimir Putin und einer seiner Verbündeten, Fifa-Chef Sepp Blatter, die Eröffnungsreden halten und jede Menge Prominenz zugegen sein. Und in Kasan, in der tatarischen Republik, trifft sich die nächsten zwei Wochen die internationale Wassersportelite. Erstmals findet die Schwimm-WM auf russischem Boden statt.

Mit der perfekten Orchestrierung von sportlichen Großveranstaltungen versucht Russland sein angeschlagenes internationales Ansehen aufzubessern. Großzügiges Sponsoring der jeweiligen Sportverbände hat geholfen, die eigenen Interessenvertreter in die richtige Positionen zu manövrieren.

Und wie der Fall Hulk zeigt, scheint die Instrumentalisierung des Sports noch weiterzureichen, als man bislang annehmen konnte. Der brasilianische Nationalspieler, Profi bei Zenit St. Petersburg, beschwerte sich kürzlich über die ständigen rassistischen Anfeindungen, denen er in jedem Spiel der russischen Liga ausgesetzt ist. Prompt teilte die Fifa mit, dass Hulk, anders als vorgesehen, wegen eines Ligaspiels von Zenit am Sonntag doch nicht an der Auslosung der WM-Quali am Samstag teilnehmen kann. Dabei stand der Spielplan schon fest, als man Hulk zum Lospaten auserkor.

Bei Freunden

Der Weltverband, der sich den Kampf gegen Rassismus zuvorderst auf die Fahnen schreibt und zur Imagepflege derzeit einen Antirassismus-Aktivisten wie Hulk nötiger denn je hätte, beugt sich offenbar russischen Bedenken und blamiert sich zudem mit einer unglaubwürdigen Begründung. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass Fifa-Chef Blatter sich in Russland nicht um mögliche US-amerikanische Auslieferungsanträge scheren muss und sich wirklich zu Gast bei Freunden fühlt.

Die russische Führungsriege stößt allerdings bei ihrem Versuch, die internationale Sportbühne frei nach ihren Vorstellungen einzurichten, auch an Grenzen. Bei den Schwimmweltmeisterschaften in Kasan werden beim Synchronschwimmen zum ersten Mal Mixed-Wettbewerbe durchgeführt. Während einige russische Journalisten geflissentlich betonen, dass es sich bei den „männlichen Nixen“ um Männer mit einer „normalen sexuellen Orientierung“ handle, geißelte Sportminister Witali Mutko den Beschluss des Weltverbands Fina als „dumm“ und „fehlerhaft“.

Deutliche Worte. Schließlich lobte Mutko die Fina erst dafür, dass sie die WM nach Russland vergab, und bezeichnete dies als „eine noble Mission“. Die Fina wiederum verlieh letzten Herbst Wladimir Putin ihren höchsten Verdienstorden. Aber unter Sportsfreunden hält man gewisse Differenzen auch aus.

24 Jul 2015

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Johannes Kopp

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