taz.de -- Großfahndung nach Randale bei der Schülerdemo: Polizei studiert Schülerspucke
Der Staatsschutz zieht bei der Ermittlung gegen Schülerdemonstranten alle Register: Mit Fotos will die Polizei in den Schulen nach Tätern fahnden, Aufkleber sollen auf DNA-Spuren untersucht werden. Derweil besuchen Schüler die wieder aufgebaut Austellung.
Die Schulen müssen sich auf Besuch vom Staatsschutz gefasst machen. Ermittelt wird mit Hochdruck nach Personen, die am 12. November die Austellung zur Judenverfolgung in der Humboldt Universität ( HU) beschädigt haben sollen. Unter Vorlage von Fotos will die Polizei nun versuchen Tatverdächtige in den Schulen identifizieren zu lassen. Das Amtsgericht habe einem dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Öffentlichkeitsfahndung zugestimmt, bestätigte ein Justizsprecher am Montag.
Das ist noch nicht alles. "Wir werden alle Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen", kündigte der Leiter des Landeskriminalamts, Peter-Michael Haeberer, gegenüber der taz an. Im Klarext: Sogar am Tatort gefundene DNA -Proben werden ausgewertet. Insbesondere "Spuckies" kämen als Spurenträger in Betracht. Gemeint sind Aufkleber, die von Demonstranten auf Ausstellungsexponate geklebt wurden.
Nach einem Protestmarsch für bessere Bildung hatten rund 1.000 SchülerInnen kurzfristig die Humboldt-Universität (HU) besetzt und dabei auch Tafeln einer Ausstellung über jüdische Unternehmen in der NS-Zeit beschädigt. Während HU-Präsident Christoph Markschies die Taten als "planmäßige Aktion" und "antisemitischen Akt" verurteilte hatte die Polizei mehrfach betont, keine Anhaltspunkte für eine gezielte Zerstörung der Gedenkausstellung zu haben.
Am Montag beschäftigte sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses mit dem Thema. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) betonte erneut, dass es keine Anhaltspunkte für eine gezielte Aktion gebe. Das sei aber kein Anlass das Geschehen zu verharmlosen.
Dass Polizeipräsident Dieter Glietsch eine "breiten Öffentlichkeitsfahndung" ankündigte, zeigt: Die Polizei ist von einer Verharmlosung weit entfernt. LKA-Chef Haberer erläuterte die Pläne nach der Innenausschuss-Sitzung gegenüber der taz wie folgt: Gedacht sei an Fahnungsplakate wie jene, mit denen die Polizei in den letzten Jahren im Anschluss an 1.-Mai-Krawalle nach Steinwerfern gesucht habe. In Ermangelung eigenen Dokumentationsmaterials - die Polizei war zum Zeitpunkt der Beschädigungen nicht in der Universität - werde der Staatsschutz auf das ins Internet gestellte Filmmaterial von Spiegel TV zurückgreifen. Von den Szenen, die zum Zeitpunkt der Zerstörung der Ausstellung aufgenommen worden seien, könne man Fotos ziehen, so Haeberer. Ihm zufolge hat sich von den 1.000 Schülern, die die Uni stürmten, nur 10 bis 20 an der Ausstellung vergriffen. Ob es sich wirklich um Schüler oder einen anderweitigen Personenkreis handelt, sei Gegenstand der Ermittlungen.
Zu der Plakataktion kommt es nun doch nicht. Die Fahndung werde auf kleiner Flamme gekocht, sagte ein Justizsprecher. Soll heißen: Bildvorlage in den Schulen ja - aber keine Steckbriefe an Litfasssäulen.
25 Nov 2008
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Jüdische Gemeinde begrüßt, dass die Polizei mit allen Mitteln gegen die Randalierer in der HU-Ausstellung ermittelt. Anwaltsorganisationen kritisieren, dass Schüler durch "unverhältnismäßiges" Vorgehen kriminalisiert würden