taz.de -- Polizeifahndung nach Schülerdemo: Schüler sollen Randalierer verpetzen
Jüdische Gemeinde begrüßt, dass die Polizei mit allen Mitteln gegen die Randalierer in der HU-Ausstellung ermittelt. Anwaltsorganisationen kritisieren, dass Schüler durch "unverhältnismäßiges" Vorgehen kriminalisiert würden
DNA-Spurensicherung, Fahndung in den Schulen: Die Polizei scheut keinen Aufwand. "Wer kann Angaben zu dem Vorfall in der Humboldt-Universität machen?", fragt der Staatsschutz in einem Aufruf, der in den kommenden Tagen an Schulen verteilt werden soll. Anders als die Jüdische Gemeinde, die die entschiedenen Ermittlungen begrüßt, halten Anwaltsorganisationen das Vorgehen der Polizei für überzogen.
Die im Foyer der Humboldt-Universität hängende Ausstellung über Jüdische Unternehmen in Berlin 1933 bis 1945 war am 12. November zu großen Teilen zerstört worden. Der Vorfall hatte sich am Rande einer Schülerdemonstration für bessere Bildung ereignet. Die Polizei hatte mehrfach betont, keine Anhaltspunkte für eine gezielte Zerstörung zu haben. Trotzdem hat sie nun den Fahndungsapparat angeworfen. Ermittelt wird gegen unbekannte Schüler und andere Personen wegen schweren Landfriedensbruchs, schwerer Sachbeschädigung, Nötigung, Volksverhetzung, Brandstiftung und Beleidigung. "Der große Aufwand ist gerechtfertigt", bekräftigte Polizeisprecher Frank Millert am Dienstag.
Die Sprecherin der Jüdischen Gemeinde, Maja Zehden, sieht das genauso. "Wir unterstellen nicht, dass es sich um eine bewusste antisemitische Aktion handelt, aber die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden." Anders der Vorsitzende der Vereinigung Berliner Strafverteidiger, Peter Zuriel. Die Schüler würden durch das "undifferenzierte, unverhältnismäßige" Vorgehen des Staates "kriminalisiert". Allerdings hätte sich die Landesschülervertretung gleich bei der Jüdischen Gemeinde entschuldigen müssen, meint Zuriel. Der Vorsitzende des Republikanischen Anwaltsvereins, Wolfgang Kaleck, stimmt zu. "Die Aktion war idiotisch", rechtfertige aber nicht so eine Strafverfolgung, zumal es sich um Jugendliche und junge Erwachsene handele.
Die Polizei hat in der Humboldt-Uni nicht nur Fingerabdrücke gesichert, sondern auch DNA-Spuren (taz berichtete). Zu den Spurenträgern gehören auch die "Spuckies" genannten politischen Aufkleber, so der Chef des Landeskriminalamts, Peter-Michael Haeberer. Die Aufkleber trugen die Aufschrift "Kampf gegen Nazis", sagte Pressesprecher Millert. Ob das DNA-relevante Material ausgewertet werde, sei unklar. Man habe es für alle Fälle erst mal gesichert, so Millert.
Die Fahndung soll nun so aussehen: Sobald die Bildungsverwaltung ihre Zustimmung gegeben hat, wird der Zeugenaufruf in den Schulen in Umlauf gebracht. An eine Plakataktion in Steckbriefform wie nach den 1.-Mai-Krawallen mit Fotos von Tatverdächtigen sei "zunächst" nicht gedacht, so Millert. Bilder seien durch einen Filmbeitrag von Spiegel TV aber vorhanden.
Die Frage ist, welche Beweiskraft der Film hat. Millert konnte dies nicht beantworten. Der Beitrag ist im Internet zu sehen. Die unmittelbare Zerstörungsaktion ist darauf nicht zu erkennen. Zu sehen sind Leute, die versuchen, ein Feuer auszutreten und eine beschädigte Tafel wieder aufzurichten.
25 Nov 2008
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