taz.de -- Kommentar Wahlen in Indien: Mündige Wähler

Die Inder haben bewiesen, dass sie eine gut funktionierende Demokratie haben. Denn sie haben moderate Kräfte gewählt, anstatt Aufwieglern und Populisten zu folgen.
Bild: Freude in Rot: Anhängerinnen der Kongresspartei.

Westliche Beobachter rümpfen über Indien gerne die Nase. Zu chaotisch, zu korrupt, zu schmutzig finden viele das Land, das trotz IT-Boom und Wirtschaftsmacht-Ambitionen in weiten Teilen noch immer in tiefster Armut steckt. Doch die Wähler haben nun bewiesen, dass Indien das Prädikat "Demokratie" tatsächlich verdient.

Sie haben gegen religiöse Aufwiegler gestimmt, gegen linke Dogmatiker und gegen vermeintliche Vorkämpfer der Armen, die sich doch nur die eigenen Taschen füllen. Sie haben der moderaten, säkularen Allianz um die Kongresspartei für weitere fünf Jahre ihr Vertrauen ausgesprochen.

Indiens Wählerinnen und Wähler haben sich auch in Zeiten der Krise nicht beeindrucken lassen von den Rattenfängern von links- oder rechtsaußen. Zwar wird die hindunationalistische "Indische Volkspartei" zweitstärkste Partei bleiben. Doch nach der jetzigen Niederlage könnte sie endgültig bedeutungslos werden. Ihre Parolen - härtere Gangart gegenüber Pakistan, mehr Polizei, Ausweitung der Antiterrorgesetze - und das verachtenswerte antimuslimische Geschrei einiger ihrer Vorzeigepolitiker haben kaum noch Wähler angelockt.

Stattdessen musste die BJP selbst in einigen ihrer Hochburgen herbe Verluste einstecken. Auch die Linke, die weitgehend in alten doktrinären Denkmustern gefangen ist, anstatt sich aktuellen Problemen konstruktiv zu widmen, bekam für ihren gelangweilt-routiniert abgespulten Antiamerikanismus die Quittung und verlor etliche Mandate.

Die Wähler honorierten die Kongresspartei dafür, Indien vor den schwerwiegendsten Folgen der weltweiten Rezession bewahrt und ernsthafte Sozialprogramme auf dem Land eingeführt zu haben. Damit wurde den Menschen dort erstmals ein Gefühl von Grundsicherheit beschert.

Von ähnlich mündigen Wählern können manche Industrienationen nur träumen.

17 May 2009

AUTOREN

Sascha Zastiral

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