taz.de -- Schanzenviertel: Kampf der Subkulturen

Das Kulturhaus 73 hat sich als Betreiber für das Gebäude im ehemaligen Schlachthof beworben, in dem das Centro Sociale sitzt. Seitdem herrscht Aufregung.
Bild: Tina Fritsche vor dem Centro Sociale: Ginge es nach ihr, könnte es immer so weiter gehen.

In der Schanze gibt es die Guten und die Bösen. Zu den Bösen gehören McDonalds, der Adidas-Shop und viele neue Boutiquen. Zu den Guten gehören Institutionen der linksautonomen Szene wie die Rote Flora, und - seit diesem Jahr - auch das Centro Sociale, das zwischen Schanze und Karoviertel sitzt, in den ehemaligen Pferdeausspannställen des Schlachthofs.

Im Centro Sociale treffen sich kleine Initiativen aus der Nachbarschaft. Diese Woche sind am Montag drei Stunden für die Frauenberatung von "mujeres sin fronteras" reserviert, am Dienstag tagen die Fahrradwerkstatt und die "Rote Hilfe", am Samstag gibt es einen "Zapatistischen Abend" mit Fotoausstellung und Film.

Ginge es nach den Machern des Centro Sociale, könnte es immer so weitergehen. Doch der Vermieter, die städtische Sanierungsgesellschaft Steg, spielt nicht mit. "Wir wollten den Mietvertrag übernehmen, doch die Steg hat abgelehnt", sagt Tina Fritsche vom Vorstand der "Sozialgenossenschaft St.-Pauli Nord und rundrum", die das Centro Sociale betreibt. Das Centro hat nur einen Untermietvertrag, der zum Jahresende ausläuft.

Die Steg schrieb einen Wettbewerb für das Gebäude aus. Ziel sei es "einen nachbarschaftlichen, nicht kommerziellen Treffpunkt für den Stadtteil St. Pauli" zu entwickeln, stand in der Ausschreibung. "Diese Beschreibung trifft genau auf uns zu", sagt Fritsche. Die Macher des Centro Sociale vermuten, es sei ihre "gentrifizierungskritische Haltung", die der Steg nicht passe. Schließlich treibe die städtische Sanierungsgesellschaft jenen Verdrängungsprozess voran, den das Centro kritisiere.

Beworben haben sie sich trotzdem - aber nicht außer Konkurrenz. Mitbewerber des Centro Sociale sind die "Alsterarbeit", die eine Behindertenwerkstätte plant, und "Arinet", eine Organisation, die psychisch Kranke auf den Arbeitsmarkt bringen will. Die besten Chancen könnte jedoch ein Bewerber haben, der zwar aus dem Viertel kommt, aber nicht bei allen beliebt ist: das Kulturhaus 73.

Als das Kulturhaus 73 vor drei Jahren am Schulterblatt gleich neben der Roten Flora eröffnete, höhnten die Rotfloristen zu ihrem neuen Nachbarn hinüber: "Jetzt wird endlich alles ganz anders, jetzt erhält auch die Schanze schnuckelige Tanztees für Senioren, Schneider-Kurse, Familienbrunches mit Live-Musik und, nicht zu vergessen, auch das so lang vermisste autogene Training."

Seitdem mussten sich die Macher des Kulturhauses anhören, sie trügen mit ihren Wochenendparties zur Gentrifizierung des Schanzenviertels bei. Zuletzt waren die kritischen Stimmen dann leiser geworden, viele Schanzenbewohner besuchten wohl inzwischen selber die Kulturhausparties.

Doch als die Bewerbung für das Gebäude des Centro Sociale publik wurde, brach im hauseigenen Gästebuch ein Sturm der Entrüstung los: "Ihr solltet im eigenen Interesse die Finger vom Centro Sociale lassen, weist nach das Ihr nicht nur munterer Blutegel am schon ziemlich abgelutschten Schulterblatt seid, sondern wirklich was zur Kultur dieses Viertel beizutragen habt. Damit habt Ihr genug zu tun, über Jahre", hieß es da.

Übernähme das Kulturhaus die ehemaligen Ställe an der Schlachthofpassage, bedeute dies "noch mehr Konzerte, noch mehr Beschallung, noch mehr Leute, die von der S-Bahn herlaufen, weil hier der nächste coole Laden von Falk Hocquél ist", heißt es aus dem Umfeld des Centro Sociale.

Falk Hoquél ist Hauptgesellschafter der Pferdestall GmbH, der das Kulturhaus gehört, aber auch die Ponybar neben dem Abaton Kino und die Astra Stube an der Sternbrücke. "Natürlich tragen wir zur Partysierung des Viertels bei", sagt er. "Die Frage ist nur, was käme, wenn wir nicht wären." Das Gebäude, in dem das Kulturhaus ist, hätten damals auch andere haben wollen, "unter anderem solche, die in Richtung H & M gingen".

Für das Gebäude des Centro Sociale hätten sie sich beworben, weil sie sich gute Chancen ausrechnet hätten, das Gebäude vor der Gentrifizierung zu retten. Den Centro-Leuten mit ihrem Prinzip der Ehrenamtlichkeit werde nach einem Jahr "die Luft ausgehen", befürchtet Hocquél. Ihm nicht. "Wir wissen, wie man so etwas bespielt."

Den Leuten vom Centro hat Hocquél angeboten, das Gebäude weiter zu nutzen, wenn er den Zuschlag erhalte. Mehr noch: Wenn am Schluss nur noch er und das Centro übrig blieben, werde er zurückziehen. Das Centro bot daraufhin an, Hocquél könne doch in die Centro-Genossenschaft eintreten.

Angesicht des Gegenwindes im Viertel sind Hocquéls ursprüngliche Verbündete, der Musikklub Knust und der Radiosender Bytes Fm, abgesprungen. Zusammen mit dem Radiosender hatte Hocquél in dem Gebäude ein Studio einrichten wollen, um Radioworkshops abzuhalten.

"Wir haben dem Centro nochmal einen Brief geschrieben", sagt Hocquél. "Wenn die dann immer noch nicht wollen, sind wir raus."

27 Jul 2009

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Daniel Wiese
Daniel Wiese

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