taz.de -- Swift-Abkommen: Das EU-Parlament wird erwachsen
Grüne, Liberale und die Mehrheit der linken Fraktionen stimmten gegen das Swift-Abkommen – Konservative gespalten.
Sie ist jung, sie ist blond, und sie hat die Nerven behalten: Die 37-jährige liberale Abgeordnete Jeanine Hennis-Plasschaert hatte die Parlamentsentscheidung zum Swift-Abkommen vorbereitet. Trotz enormen Drucks von Ratsvertretern und älteren Parlamentskollegen blieb sie bis zum Schluss dabei, dass die Abgeordneten dem von den EU-Innenministern gebilligten Bankdatenabkommen mit den USA in dieser Form nicht zustimmen dürfen. Nach leidenschaftlichen Auseinandersetzungen und nächtlichen Verhandlungen sah es zunächst schlecht aus für Plasschaerts Position. Nur 15 Stimmen fehlten, dann wäre die Abstimmung verschoben worden. Doch letztlich stimmten 378 Abgeordnete gegen das Swift-Abkommen und nur 196 dafür.
Der Niederländerin standen Tränen der Erleichterung in den Augen. Sie ließ sich feiern wie eine europäische Jeanne dArc, die der Belagerung der amerikanischen Datenjäger die Stirn geboten hat. Bei der Debatte am Nachmittag zuvor hatte sie den Abgeordneten zugerufen: "Die Sicherheit der Bürger ist nicht in Gefahr, wenn wir den Zugriff auf diese Daten verweigern. Die Drohungen des Rates gehen mir auf den Wecker! Keiner zweifelt daran, dass wir eng mit den USA zusammenarbeiten müssen, aber das Verhandlungsergebnis muss mit unseren Gesetzen in Einklang stehen."
Zuvor hatte der spanische Ratsvertreter die Anschläge in Bali, London und Madrid sowie den Mord an dem holländischen Filmemacher Van Gogh und ein vereiteltes Attentat in Barcelona angeführt, um die Bedeutung der Bankdaten für den Antiterrorkampf zu betonen. Belege dafür, dass Bankinformationen die Ermittlungen tatsächlich erleichtern, blieb er allerdings schuldig.
Während die liberale Fraktion ebenso wie Linke und Grüne Plasschaerts Position bedingungslos unterstützten, waren die Konservativen gespalten. Auch einige sozialistische Abgeordnete zögerten bis zum Schluss. In Spanien und Großbritannien, wo Terroranschläge auf das Nahverkehrssystem viele Menschenleben gefordert haben, wird anders zwischen Sicherheit und Bürgerrechten abgewogen als in Deutschland und Österreich. Deutsche Konservative wie der CDU-Abgeordnete Werner Langen und der CSU-Abgeordnete Markus Ferber hatten in den letzten Wochen lautstark gegen das Swift-Abkommen gewettert und Wirtschaftsspionage davon befürchtet.
Die Frage, die der CSU-Abgeordnete Manfred Weber am Mittwochnachmittag dem Vertreter der EU-Regierungen stellte, ließ denn auch an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: "Wenn wir die Abstimmung über das Bankdatenabkommen verschieben - können Sie uns zusichern, dass Sie innerhalb eines Monats ein neues Verhandlungsangebot vorlegen?" Der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba antwortete mit einem Schwall von Worten: Er könne in drei Monaten im Europaparlament die grundlegenden Elemente vorstellen und werde die Abgeordneten gern einbeziehen in die dann beginnenden neuen Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung. Kurz gesagt: Zusichern konnte er nichts.
Dennoch stimmten die deutschen Konservativen für die Verschiebung. Da die amerikanische Seite Nachverhandlungen strikt ablehnt, wäre infolge der Entscheidung das provisorische Abkommen bis Ende Oktober in Kraft geblieben. Für die Zeit danach sollte eine definitive Regelung ausgehandelt werden. Millionen Bankdaten europäischer Kunden wären so an amerikanische Behörden weitergeleitet worden - ohne richterliche Anordnung und ohne Einspruchsmöglichkeit der Betroffenen.
Der amerikanische Botschafter und Mitarbeiter aus dem Finanz- und Justizministerium der Obama-Regierung hatten in den letzten Wochen eine Charmeoffensive bei den Europaabgeordneten gestartet. US-Außenministerin Hillary Clinton und Finanzminister Timothy Geithner wandten sich schriftlich an Parlamentspräsident Jerzy Buzek und warben für "gemeinsame Anstrengungen gegen den Terrorismus". Doch der Pole zeigte sich ungerührt. "Unser Parlament besteht aus direkt gewählten Abgeordneten. Wir müssen uns als Hüter der Bürgerrechte verstehen", erklärte Buzek.
Die grünen Abgeordneten Jan Philipp Albrecht und Rebecca Harms haben in den Gesprächen mit US-Vertretern festgestellt, dass die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und der Datenminimierung dort auf Unverständnis stoßen. "Die Rechtskulturen sind völlig unterschiedlich. Aber jetzt kann die Debatte darüber, wo ein Kompromiss liegen könnte, endlich gleichberechtigt beginnen", so Albrecht zur taz.
12 Feb 2010
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