taz.de -- Hilfen für Griechenland: Deutsches Zögern stört Märkte

Die Regierung hält sich mit Finanzzusagen zurück. Die Opposition kritisiert das, will aber kein Eilgesetz. Am Dienstag ist Griechenlands Kreditwürdigkeit weiter abgestuft worden.
Bild: Die Lage Griechenlands spitzt sich nicht mehr nur auf der Straße zu, wie hier bei aktuellen Streiks.

BERLIN taz | Es ist das erste Mal, dass eine deutsche Landtagswahl zu einem europäischen Ereignis wird. Schon vor mehr als zwei Wochen kommentierte der Mailänder Corriere della Sera spitz, die Zukunft des Euro hänge nun davon ab, ob Griechenland noch bis zum 9. Mai zahlungsfähig bleibt - dem Tag also, an dem in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt wird und die deutsche Bundesregierung ihren bislang praktizierten hinhaltenden Widerstand gegen die hierzulande unpopulären Finanzhilfen endlich aufgeben kann.

Deutsche Regierungsvertreter bekräftigten am Dienstag ihre Haltung, über die Unterstützung erst zu entscheiden, wenn der Internationale Währungsfonds seine Verhandlungen mit der griechischen Regierung abgeschlossen hat. Bei den Gesprächen müsse das Land zeigen, "dass es nachhaltig eine Konsolidierungspolitik betreibt", sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP).

Ähnlich hatte sich am Vortag bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geäußert. An diesem Mittwoch will die Regierung in einem geheimen Abstimmungsgespräch nach der offiziellen Kabinettssitzung über das weitere Vorgehen in der Griechenlandfrage beraten.

Die Oppositionsparteien warfen der Regierung zwar Zaudern und Uneinigkeit vor, die SPD lehnte es aber ihrerseits ab, das Gesetz zur Griechenlandhilfe im parlamentarischen Schnelldurchlauf zu beschließen. "Wir werden keinem Eilverfahren zustimmen", sagt der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider.

Das Abwarten der deutschen Regierung wird europaweit für die weiter wachsende Unsicherheit an den Börsen verantwortlich gemacht. Die Kurse griechischer Staatsanleihen sackten weiter ab, sodass die Rendite zeitweise bei bis zu 15 Prozent lag. Auch der DAX gab um 6,8 Prozent nach. Der frühere grüne Außenminister Joschka Fischer warf Merkel in einem Interview mit der Zeitschrift Cicero vor, sie folge in der Griechenlandkrise "ausschließlich innenpolitischen Erwägungen".

Gleichzeitig gab es von Experten aber auch Warnungen vor raschen Hilfszahlungen. Eine Pleite Griechenlands sei trotz der Hilfsaktion nicht auszuschließen, sagte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. Er warnte vor einem erneuten Aufflammen der Bankenkrise, wenn die Institute die Athener Verbindlichkeiten abschreiben müssten. Der Ökonom Hans-Werner Sinn kritisierte, mit den geplanten Hilfen unterstützten die deutschen Steuerzahler nur die Finanzbranche des Nachbarlands: "Frankreichs Banken halten für 52 Milliarden Euro griechische Staatspapiere, Deutschlands Banken für 31 Milliarden."

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Montag erklärt, der 19. Mai sei ein kritischer Tag für Griechenland, da an diesem Tag Verbindlichkeiten fällig würden. Folgt man dieser Rechnung, bleiben nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl immerhin noch zehn Tage Zeit.

28 Apr 2010

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Bollmann

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