taz.de -- Militärvideos bei Wikileaks: Whistleblower im Visier
52 Jahre Haft drohen US-Soldat Bradleay Manning, der Wikileaks Militärvideos zugespielt hat. Leitete er auch die Geheiminfos aus dem Afghanistankrieg weiter? Ein Portrait
Seit Dienstag sammelt sein Unterstützernetzwerk online Geld für seine juristische Verteidigung. Und der US-Soldat Bradley Manning aus Maryland wird es wohl dringend nötig haben. Bis zu 52 Jahre Haft drohen ihm bereits, weil er ein Militärvideo an die Whistleblowerplattform Wikileaks weitergereicht haben soll, auf dem zu sehen ist, wie US-Soldaten aus einem Helikopter heraus Zivilisten in Bagdad erschießen.
Jetzt wird spekuliert, ob der 22-jährige Bradley Manning Wikileaks auch die mehr als 90.000 internen militärischen Dokumente aus dem Afghanistankrieg zugespielt hat, von denen bisher rund 75.000 im Internet frei zugänglich sind. CNN zitiert einen namentlich nicht genannten Pentagonvertreter, der Manning als "Hauptverdächtigen" für das Informationsloch bezeichnet. Ein Sprecher der US-Armee wollte dies auf Nachfrage nicht bestätigen. Es liege aber auf der Hand, dass Manning in Zusammenhang mit der Veröffentlichung des "Kriegstagebuchs" untersucht werde. So bezeichnet Wikileaks die gesammelten Geheiminformationen aus sechs Jahren Afghanistankrieg.
Aufgeflogen ist der US-Soldat Manning allem Anschein nach durch seine eigene Unachtsamkeit. So soll er einem berüchtigten Hacker in Chats berichtet haben, dass er Wikileaks das Hubschrauber-Video aus dem Irak und zehntausende weitere interne Dokumente zugespielt habe. Als Militäranalyst soll er von seinem Arbeitsplatz im Irak Zugriff auf mehrere geheime Netzwerke gehabt haben. Angeblich beschriftete er CDs, auf denen er die Daten speicherte, zur Tarnung mit dem Namen des Popstars "Lady Gaga".
Ende Mai wurde Manning in der Basis "Operating Station Hammer" im Irak verhaftet und in ein Militärgefängnis in Kuwait gebracht. Anfang Juli hat die US-Armee Anklage erhoben.
Wikileaks gibt keine Auskunft über seine Quellen und kann dies nach eigenen Angaben auch nicht. Unabhängig davon unterstützt auch die Enthüllungsplattform Manning. Sollte der junge US-Soldat die Quelle für die militärischen Geheimnisse sein, sagte Wikileaks-Sprecher Daniel Schmitt der taz nach dessen Verhaftung, dann sei er ein Held. "Wir bräuchten mehr davon."
30 Jul 2010
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Der mutmaßliche Wikileaks-Informant Bradley Manning soll unter folterähnlichen Haftbedingungen leiden. Dass der Ex-Soldat tatsächlich die Quelle ist, steht nicht fest.
Wikileaks behauptet, Informanten seien durch den schwedischen Quellenschutz geschützt. Verfassungsexperten bezweifeln es. Das Pentagon soll Interesse an den Servern haben.
Obamas Sicherheitspolitik sei schlimmer als die von Bush, meint US-Sicherheitsexperte Bruce Schneier – und äußert sich zum Afghanistan-Coup von Wikileaks und einer mysteriösen Datei.
Nachdem die US-Regierung das FBI eingeschaltet hat, wird es unangenehm für die Wikileaks-Betreiber. Vorsichtshalber gibt es jetzt eine Art Lebensversicherung im Netz.
Die amerikanische Öffentlichkeit interessiert sich nicht für die von Wikileaks publizierten Militärberichte - ebenso wenig wie für den Krieg.
Der US-Verteidigungsminister will wegen der Afghanistan-Dokumente auf Wikileaks das FBI einschalten. Er wolle die undichte Stelle finden, um die Soldaten zu schützen.
Die Bundesregierung sagt, sie wolle nichts mit gezielten Tötungen in Nordafghanistan zu tun haben, obwohl die Bundeswehr ein US-Geheimkommando beherbergt.
Die Wikileaks-Dateien zeigen: Es gibt zwei Kriege am Hindukusch – einen offiziellen und einen geheimen. Der Letztere hat kein deutsches Mandat.
Die Wikileaks-Dokumente schüren die Debatte über den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Nun setzen auch Unionspolitiker die Kanzlerin unter Druck.