taz.de -- Partei-Ausschluss von Sarrazin: SPD will von Buschkowsky lernen
Die SPD-Spitze will Sarrazin ausschliessen, verschärft aber zugleich den Ton in der Integrationsdebatte. Nahles lobt den umstrittenen Bezirksbürgermeister aus Berlin-Neukölln.
BERLIN taz | Die SPD-Spitze ist fest entschlossen, Thilo Sarrazin aus der Partei auszuschließen - notfalls auch gegen den Widerstand der Basis. "Wir halten diesen Schritt für richtig und werden ihn auch verteidigen", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag. Die Meinungen zu dem Thema seien an der Parteibasis sehr unterschiedlich.
Der Landesvorstand der Berliner SPD hat gestern ebenfalls über den geplanten Parteiausschluss Sarrazins beraten. Das Ergebnis lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor, es wird jedoch erwartet, dass sich die Parteispitze dem vom Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf eingeleiteten Verfahren anschließt. Der Berliner SPD-Chef Michael Müller sagte, Sarrazins Haltung sei mit den Grundwerten der SPD unvereinbar.
Während Sarrazins Thesen - besonders die biologistischen - parteiübergreifend auf große Ablehnung stießen, häufen sich nun starke Forderungen in der Integrationsdebatte. In der Union wird der Ruf nach Sanktionen laut für Menschen, die ihre Kinder nicht in Kitas oder zur Schule schicken. Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs forderte für solche Fälle Kürzungen von Hartz IV. Allerdings gibt es bislang gar keine Kitapflicht.
Doch auch in der SPD scheint man sich genötigt zu fühlen, parallel zum Ausschluss Sarrazins den Ton in der Integrationsdebatte zu verschärfen. "Es gibt hier eine Schulpflicht in Deutschland", sagte Nahles. Die müsse für alle gelten. Zudem werde das Thema Kitapflicht auf dem SPD-Parteitag in wenigen Wochen aufgegriffen. Eine solche Pflicht schon für Einjährige hat der Bürgermeister des Berliner Brennpunkt-Bezirks Neukölln gefordert. Heinz Buschkowsky, der in der SPD bislang wenig Zustimmung fand, wurde von Nahles indes stark gelobt. "Nicht nur die SPD kann etwas von Buschkowsky lernen", sagte Nahles. Man müsse Probleme der Integration "in aller Härte" ansprechen. Im Gegensatz zu Sarrazin engagiere sich Buschkowsky aber und bemesse Menschen nicht nach ihrem ökonomischen Nutzwert.
Die integrationspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Aydan Özoguz, sieht die Thematisierung der Kitapflicht auf dem Parteitag kritisch. "Erst einmal sollten wir genügend Kitaplätze zur Verfügung stellen und die Gebühren abschaffen", sagte Özoguz. Man solle nicht den Fehler machen, wegen der Diskussion um Sarrazin nun ein bestimmtes Thema auf dem Parteitag zu besprechen, "nur um alle zufrieden zu stimmen". Buschkowsky sei aber nicht mit Sarrazin zu vergleichen. Er polarisiere zwar auch, rede aber nicht so respektlos wie Sarrazin. Zudem habe Buschkowsky in seinem Bezirk viele gute Projekte vorangebracht.
6 Sep 2010
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Thilo Sarrazin wird nicht aus der SPD ausgeschlossen. Ex-Senator erklärt, er hab Migranten nicht diskriminieren wollen. Alle Antragsteller verzichten daraufhin auf den beantragten Ausschluss.
Der Parteiausschluss Thilo Sarrazins ist richtig, sagt SPD-Präsidiumsmitglied Stegner. Dessen Buch sei voller "kruden Gebräus" und biete keine Antworten auf Integrationsfragen.
Bundesbanker Thilo Sarrazin gibt seinen Vorstandsposten auf. Nach langem Gezerre hat er jetzt den Bundespräsidenten um seine Entlassung gebeten.
Sarrazins Rassismus repräsentiert nicht die Ränder der Gesellschaft, sondern die gutbürgerliche Gesellschaft in der Mitte. Muslimfeindlichkeit ist für sie normativ.
Weil ein Arzt aus Wächtersbach in seiner Praxis das Kopftuch verbietet, droht ihm ein Disziplinarverfahren. Aber er bekommt Rückendeckung von der Stadt.
Eine Emnid-Umfrage ergab: Fast jeder fünfte Deutsche würde eine Protestpartei des Integrationskritikers Sarrazin wählen, Zuspruch kam vor allem von Anhängern von Linkspartei und Union.
Indem die Bundesbank Sarrazin rauswirft, gewährt sie ihm genau jene Bedeutung, die sie ihm eigentlich nehmen will. Dennoch gab eine keine bessere Lösung.
Bundespräsident Christian Wulff nuss nun über die Abberufung von Sarrazin als Mitglied des Vorstands entscheiden. SPD und Grüne zeigen sich zufrieden mit der Haltung der Bankenführung.