taz.de -- Lady Gaga kämpft für Homosexuellenrechte: Das Filetstück meines Landes
Superstar Lady Gaga liest der homosexuellenfeindlichen US-Armee die Leviten - ein in vielerlei Hinsicht sehr bemerkenswerter Auftritt.
Wo ist der fundamentale Unterschied zwischen dem Posing auf dem Cover der japanischen Vogue in einem Minikleid aus Rindersteaks und einer politischen Rede vor US-amerikanischer Flagge in hochgeschlossener Bluse, Jackett und mit Stars-and-Stripes-Krawatte? Es gibt keinen. Nicht in Amerika, nicht bei Lady Gaga, die es innerhalb einer Woche mit Bildern von diesen vermeintlich gegensätzlichen Auftritten in die internationale Presse schaffte. Beides sind Rollen, die perfekt inszeniert sind und dabei trotzdem ernst genommen werden.
"Mein Name ist Stefani Joanne Angelina Germanotta. Ich bin eine amerikanische Staatsbürgerin", sagte die Sängerin am Montag bei einer Protestversammlung in Portland. Und wenn sie, der achtmal der MTV-Award verliehen wurde, wozu sie übrigens auch in Fleischkleid erschien, das erste Mal seit ihrem Erscheinen in der Öffentlichkeit unter ihrem bürgerlichen Namen auftritt, kann man sich Gedanken darüber machen, was das für ihre Zukunft bedeuten könnte.
Germanotta forderte mit großer Geekbrille im Gesicht, mit erhobener Faust, mit stechendem Zeigefinger, mit professionell variiertem Tempo und variierter Betonung, dass Homosexuelle gefälligst auch die Freiheit ihres Landes an der Waffe verteidigen dürfen sollten. Man müsse "das Filetstück des Fleisches, das mein Land zu bieten hat", nämlich dem Militär zu dienen, mit Schwulen und Lesben teilen. "Sollte nicht jeder das Recht haben, dasselbe Fleischkleid zu tragen wie ich?", fragte die Nachwuchspolitikerin in Anspielung auf ihr Vogue-Outfit und schaffte so auch noch die Verbindung zwischen den Auftritten. Die homophoben Soldaten seien es, die man aus der US Army werfen solle. "Wenn du nicht ehrenhaft genug bist, ohne Vorurteile zu kämpfen, dann geh nach Hause!"
Die bestehende Queer-feindliche Regelung wurde am Mittwoch in einer Abstimmung dann zwar bestätigt, aber auch unabhängig von ihrem reellen Erfolg ist Lady Gagas Engagement bemerkenswert. Ja natürlich, Krieg ist immer blöd, noch blöder ist aber, wenn Krieg ist und Soldaten Menschen töten müssen und nach getaner Arbeit nicht mal über ihre sexuellen Präferenzen sprechen dürfen. Dass das Militär in den USA positiver betrachtet wird als in Deutschland, muss man berücksichtigen. Und da sich Lady Gaga seit je von der Queer Culture unterfüttern lässt, ist ihr Engagement nur konsequent und nicht widersprüchlich, wie es uns hier erscheint. In seiner Ernsthaftigkeit dann ist es aber dennoch erstaunlich.
Während also Ministergattin Stephanie zu Guttenberg in ihrem aktuellen Buch von der Gefahr fantasiert, die sich hinter Lady Gaga verberge, und sich damit nicht nur vor Nachwuchswählern lächerlich macht, schafft Stefani Germanotta etwas, was in diesem Land zwar unvorstellbar ist, hier jedoch ebenfalls ein großes Geschenk an die Demokratie wäre. Sie nutzt den Freedom of speech, sie formuliert eine Forderung, obwohl das Image ihrer Person der politischen Klasse fremder nicht sein könnte.
Wie sie Politik als Schauspiel entlarvt, muss dabei keinen Schaden für diese bedeuten. Wie sie jedoch die geltende Widersprüchlichkeit zwischen Showbiz und politischem Willen verwischt, mag einen Ausblick geben auf das, was da kommen mag. Lady Gaga als Gegenkandidatin zu Sarah Palin? Was verrückt klingt, ist das zu Ende gedachte Versprechen der Lady Gaga. Es gibt keine Vorurteile; du bist sexy, auch wenn du hässlich bist; du kannst alles, wenn deine Liebe dich leitet. Klingt einfach und bescheuert? Genau diese einfache Menschlichkeit wird wieder in die Politik finden, ob es einem gefällt oder nicht.
22 Sep 2010
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