taz.de -- Kommentar Gesundheitsreform: Ein bombiges Gesetz

Kassenmitglieder und Steuerzahler sollen also die steigenden Kosten im Gesundheitssystem schultern. Da tickt eine Bombe ganz gewaltig und es ist unklar, wann sie hochgeht.

Die nun beschlossene Gesundheitsreform ähnelt einem Paket, aus dem ein leises Ticken dringt. Alle Umstehenden, Wirtschafts- wie Versichertenvertreter, fürchten eine Bombe. Doch niemand weiß, ob und wann der Sprengsatz explodiert und wie stark die Zerstörungen sein werden.

Kommen wird die Ausweitung der Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, die künftig bis zu zwei Prozent des Bruttoeinkommens betragen dürfen. Das heißt: Kostensteigerungen im Gesundheitssystem werden allein die Kassenmitglieder schultern müssen, Arbeitgeber sind davon entlastet.

Der Sozialausgleich aus Steuermitteln hingegen, der übermäßige Belastungen durch den Zusatzbeitrag verhindern soll, ist bis auf Weiteres ein Versprechen. 2011 solle dieser Topf, so der Minister, nicht geöffnet werden, weil genug Geld da sei.

Und danach? In einigen Jahren könnte sich erweisen, dass ausgerechnet ein FDP-Minister den schädigenden Einfluss der Tagespolitik auf das Gesundheitssystem vergrößert hat. Denn es sind politische Entscheidungen, wie viel Geld für den Sozialausgleich zur Verfügung steht und ob der Zusatzbeitrag weiter steigen wird - keine betriebswirtschaftlichen.

Die Kassen beispielsweise werden deshalb künftig alles daransetzen, nach mehr Geld zu rufen, statt bei sich selbst zu sparen. Und die jeweilige Regierung könnte, erst recht in einem Wahljahr, geneigt sein, diesem Druck nachzugeben. Gesetze und viel Steuergeld könnten so dringend nötige Strukturreformen im Gesundheitssystem ersticken.

Das zweite bleibende Reformergebnis ist die stärkere Belastung der Kassenmitglieder. Diese wird immer weiter zunehmen, auch weil notwendige Reparaturen am System aus Rücksicht auf Pharmaindustrie und Ärzte unterblieben sind.

In diesem Gesetzespaket steckt also tatsächlich eine Bombe. Wann sie hochgehen wird, ist nicht klar. Aber das Ticken wird nicht aufhören.

22 Sep 2010

AUTOREN

Matthias Lohre

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