taz.de -- Kommentar Castor und Politik: Sie wollen Argumente, das ist gut so

Der Anti-Atom-Protest zeigt: Die Wähler haben die Nase voll. Sie wollen bei wichtigen Themen gute Argumente hören, nicht gute Verkaufe. Auch die konservative Basis.
Bild: Der Lobbyist - ein Hindernis für die Demokratie: Nicht mehr nur im Lager der traditionellen AKW-GegnerInnen wird so gedacht.

Was ist die Lehre aus dem Castortransport? Dass sich in Deutschland etwas zum Besseren bewegt - zumindest für die Freunde der Demokratie, vielleicht sogar für die Feinde der Atomkraft. Auf den ersten Blick sieht es ja aus wie immer, nur größer: Polizisten aus allen Bundesländern dienen als Rammbock, um den Atommüll im Wendland zu lagern und so die Energiepolitik der gewählten Regierungen durchzusetzen.

Doch in diesem Jahr hat sich das politische Umfeld verändert. Das sogenannte konservative Lager sammelt sich aus diesem Anlass nicht mehr in großer Mehrheit hinter seinen Politikern, wenn diese die von den Anti-Atom-Chaoten verursachte Geldverschwendung und die Rechtsbrüche angesichts der Castorblockaden kritisieren. Vielmehr geraten die Konservativen bis hinauf zur Bundeskanzlerin unter Rechtfertigungsdruck. Weil man ihnen nicht mehr vertraut. Genauer: Weil ihre Wählerschaft die Fähigkeit der eigenen Repräsentanten bezweifelt, die besten Entscheidungen für die Bürger und die Zukunft des Landes zu treffen. Früher war das Vertrauen, dass die Union im Zweifel das Richtige tut, nicht zu erschüttern.

Glatte PR-Profis in Regierungsämtern haben sich viele Jahre durchgesetzt. Auch in der derzeitigen Bundesregierung sitzen einige davon. Davon haben die Wähler die Nase voll. Sie wollen bei wichtigen Themen gute Argumente hören, nicht gute Verkaufe. Auch und gerade die konservativen Wähler. Wahlslogans wie Merkels "Wir haben die Kraft" bei der Bundestagswahl 2009 befriedigen sie offensichtlich nicht mehr.

Was folgt daraus, wenn sich Wähler wieder mehr mit Sachthemen auseinandersetzen? Beim konkreten Anlass, der Atompolitik der Bundesregierung etwa, wird sich bis zur nächsten Wahl nichts tun. Zu sehr hat sich Angela Merkel bis ins Detail auf Laufzeiten und Endlagerung festgelegt. Aber in der Atompolitik ist eine Wahlperiode nicht sonderlich viel. Und bei den vielen anderen umstrittenen Themen geht die Diskussion erst los: Großprojekte im Verkehrswesen, Gesundheitsreform, Rentenfinanzierung und und und.

Es ist keineswegs sicher, dass sich die Bürger der Mitte schließlich eher für eine ökologische oder solidarische Politik entscheiden. Aber dank der neuen Beteiligungsrekorde in Gorleben oder bei Stuttgart 21 entscheiden sie sich immerhin mit mehr Engagement und Information.

8 Nov 2010

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Reiner Metzger

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