taz.de -- Wowereit bei der Fluglärmdemo ausgepfiffen: Der Regierende an der Wählerfront

Der Regierende Bürgermeister will den Fluglärmgegnern in Lichtenrade den Rücken stärken. Doch die halten das für bloßes Wahlkampfgetöse und buhen ihn aus
Bild: Klaus Wowereit bei der Fluglärm-Demonstration am Montag

Klaus Wowereit ist zur Montagsdemonstration der Fluglärmgegner nach Lichtenrade gekommen - eigentlich ein Heimspiel. Der Regierende Bürgermeister ist im südlichen Zipfel von Berlin aufgewachsen. Doch als er das Mikro in die Hand nimmt, lassen ihn die Demonstranten nicht zu Wort kommen.

Die Pfiffe und Buh-Rufe sind zu laut. "Heuchler!", stimmen viele im Chor ein. Einige haben Megafone dabei und stören die Rede immer wieder. Wowereits erster Satz: "Ich kann auch nach Hause gehen." "Ja!", schreien die Lärmgegner. So langsam bekommen sie Übung im Krachmachen, die Lichtenrader. Den fünften Montag in Folge sind sie auf dem kleinen Pfarrer-Lütkehaus-Platz am Bahnhof zusammengekommen. Bis vor kurzem hatte der Parkplatz noch gar keinen Namen. Und bis vor kurzem war Bürgerprotest hier ein Fremdwort. Jetzt sind es 6.000, die für die Änderung der Flugrouten demonstrieren.

Die Lärmgegner fordern, dass die Flugzeuge vom künftigen Airport Berlin Brandenburg International (BBI) geradeaus abfliegen. So bliebe der Süden von Berlin verschont. Würden die Routen dagegen so umgesetzt werden, wie sie die Deutsche Flugsicherung (DFS) im September vorgeschlagen hat, wäre auch Lichtenrade vom Lärm stark betroffen. Die erweiterte Fluglärmkommission, die das Thema behandeln soll, hat sich am Montag zum ersten Mal getroffen. Auch Vertreter der südlichen Umlandgemeinden sitzen in dem Gremium. Die Sitzung wurde jedoch ergebnislos abgebrochen - im Streit über die Tagesordnung.

Am Abend dann ist Wowereit gekommen, um die Menschen seiner "Heimat" zu unterstützen. "Ich habe hohen Respekt vor ihrem Protest, weil er berechtigt ist", sagt er. "Die jetzt vorgelegten Flugrouten sind aus Sicht des Senats nicht vertretbar. Das habe ich immer so vertreten." Schon wird er wieder ausgebuht. Viele Demonstranten wollen ihm genau das nicht abnehmen.

Sie glauben, dass er als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft schon vorher hätte wissen müssen, wie die Routen verlaufen. Und so sind einige Plakate direkt an Wowereit adressiert: etwa das von Hannes aus Tempelhof, der seinen Nachnamen nicht nennen will. Auf seinem Transparent steht verschwörerisch: "Hallo Klaus, warum hast du dein Haus vakooft? Bistn Insider?" Er glaubt, Wowereit könnte seinerzeit aus Lichtenrade weggezogen sein, weil er damals schon gewusst habe, dass der Ort künftig von Fluglärm betroffen sein werde. Für Hannes ist klar: "Da gibt es doch einen Zusammenhang."

Auch Rolf Zweiniger aus Müggelheim ist nicht gut auf Wowereit zu sprechen. Seit 1994 kämpft er gegen den Standort Schönefeld. "Den kann man völlig vergessen", sagt er über Wowereit. "Der sitzt im Aufsichtsrat und jetzt tut er so, als würde er nichts wissen. Der ist hier, weil nächstes Jahr Wahlen sind. Ich bin richtig in Rage."

In der Tat bekommt man bei der Montagsdemo in Lichtenrade den Eindruck, dass sie sich langsam zu einer Wahlkampfveranstaltung entwickelt. Die FDP verteilt bei der Demo Flyer und auch die CDU zeigt Flagge. Der Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak antwortet auf die Rede von Wowereit und betont immer wieder, wie wichtig ihm seine Heimat Lichtenrade sei. Ihm gegenüber sind die Demonstranten deutlich gnädiger. Nächste Woche geht der Wahlkampf in die nächste Runde.

10 Nov 2010

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Martin Rank

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