taz.de -- Streit um die Flugrouten: Verkehrsberuhigung auf höchster Ebene
Die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg gestehen Fehler bei der Fluglärmdebatte ein. Transparentes Verfahren soll akzeptable Lösung bringen. Ganz ohne Lärmbelastung aber gehe es nicht.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) haben Fehler in der Flugroutendebatte zugegeben. Es sei nicht offen und klar kommuniziert worden, dass die Flugrouten für den ausgebauten Airport Schönefeld trotz der Vorgaben im Planfeststellungsverfahren nicht endgültig seien, bedauerte Platzeck am Dienstag. Es hätte "irgendwo mit auf dem Schirm sein müssen", dass die Routenplanung zu den offene Risiken gehöre, ergänzte Wowereit.
Eine grundsätzliche Schuld für den zunehmenden Fluglärm wollten sie jedoch nicht übernehmen. Denn das Hauptproblem sei die Stadtnähe des Airports. Und dessen Standort hätten die 1996 amtierenden Politiker beschlossen: der Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (beide CDU) - gegen die Stimme von Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), betonten die heute regierenden Sozialdemokraten, nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung der beiden Länder.
Die Deutsche Flugsicherung hatte im September erstmals konkrete Flugrouten für die zwei parallelen Startbahnen in Schönefeld vorgestellt. Aus Sicherheitsgründen sollen die Jets unmittelbar nach den Starts um jeweils 15 Grad abknicken. Dadurch würde bei Flügen Richtung Westen die Stadt Blankenfelde umflogen, aber südliche Ortsteile Berlins wie Lichtenrade und Brandenburger Orte wie Teltow und Kleinmachnow stärker belastet. Das hatte zu massiven Protesten in den neu betroffenen Gegenden geführt.
Platzeck und Wowereit haben sich nun auf eine Strategie für die Fluglärmdebatte geeinigt. Ziel sei es, die Belastung der Anwohner so gering wie möglich zu halten, sagte Wowereit. Dabei spiele es keine Rolle, ob Betroffene in Berlin oder in Brandenburg wohnt, betonte Wowereit: "Das ist unstrittig." Die Flugsicherung wurde aufgefordert, gründlich, aber zeitnah neue Routenvarianten zu erarbeiten. Noch sei offen, an welchem Punkt der Startbahn mit welcher Geschwindigkeit die Flieger abheben, und mit welcher genauen Gradzahl dann abgeknickt werde, so Platzeck. All dies habe Einfluss auf den Lärm.
Kriterium bei dem "transparenten Verfahren" soll nicht nur die Lärmintensität in den überflogenen Orten sein. Auch der Vertrauensschutz für Anlieger sei ein "wichtiger Punkt", sagte Wowereit. Das trifft keineswegs nur die Hausbesitzer an der südlichen Stadtgrenze. "Die Gemeinden Zeuthen, Eichwalde und Schulzendorf haben sich zum Beispiel darauf verständigt, Schulen und öffentliche Einrichtungen in eine bestimmte Gegend zu stellen", sagte Platzeck. Er wolle alles dafür tun, dass nicht gerade dieser Korridor überflogen werde. Aber auch die Airportnutzer haben die Regierungschefs im Blick. "Wir brauchen eine Lösung, die dem Flughafen ermöglicht, Flughafen zu sein", so Platzeck.
Ohne Lärm, bedauerten beide, gehe es leider nicht. Am Ende aber sollten deutlich weniger Anlieger belastet werden als derzeit befürchtet.
17 Nov 2010
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Flugsicherung und Bundesministerium kneifen bei einer Anhörung zu den umstrittenen Flugrouten - statt dessen streiten Landespolitiker im Ausschuss darüber, wie wichtig der Flughafen BBI werden soll.
Nach Wochen der Aufregung um den neuen Berlin-Brandenburgischen Großflughafen BBI kommt ein inhaltlicher Vorstoß: Die brandenburgische Landesregierung legt ein Konzept für alternative Flugrouten vor.
Der Regierende Bürgermeister will den Fluglärmgegnern in Lichtenrade den Rücken stärken. Doch die halten das für bloßes Wahlkampfgetöse und buhen ihn aus
Die Gemeinde Blankenfelde südlich von Berlin warnt schon lange vor dem Lärm des zukünftigen Großflughafens. Jetzt organisiert sich auch in Berlin der Protest.
Verkehrsminister Peter Ramsauer fordert eine schnelle Klärung der Flugrouten des neuen Flughafens BBI - und zeigt sich verwundert darüber, dass die alten Strecken nicht mehr gelten sollen.
Ein Gespenst geht um in den südlichen Bezirken der Stadt: Fluglärm heißt es. Die taz hat in Spandau studiert, was auf Lichtenrade oder Mahlow zukommt.
Am Sonntag demonstrierten erneut 3.000 gegen die geplanten Flugrouten, heute werden Tausende zu den fast schon traditionellen Montagsdemos erwartet - doch worum geht es eigentlich? Fragen und Antworten zu "Berlins Stuttgart 21"