taz.de -- Irlands Regierung im Sparmodus: Wer nichts hat, dem wird genommen

Irlands Regierung verabschiedet den vierten Sparhaushalt in Folge. Mindestlohn, Kindergeld und Sozialhilfe werden gekürzt. Aber damit kann der Staatsbankrott nicht verhindert werden.
Bild: Gerade dort, wo schon jetzt kaum was zu holen ist, muss der Gürtel nochmals enger geschnallt werden.

DUBLIN taz | Die Iren sind es gewöhnt: Am Dienstag legte die Regierung in Dublin den vierten Sparhaushalt in zwei Jahren vor, und er beinhaltet tiefere Einschnitte als je zuvor. Die Regierungskoalition aus Fianna Fáil und Grünen will mit gutem Beispiel vorangehen: Premierminister Brian Cowen verzichtet auf 14.000 Euro im Jahr, er muss künftig mit 214.000 Euro auskommen.

Zusätzlich werden ein paar Staatskarossen eingemottet, eins der beiden Regierungsflugzeuge wird verkauft. Und die Gehälter der Spitzenbeamten sollen bei 250.000 Euro im Jahr gedeckelt werden, was aber nicht für die Chefs halbstaatlicher Unternehmen wie der Elektrizitätswerke und der Flughafenverwaltung gilt. Die bekommen weiterhin ihre 750.000 beziehungsweise 550.000 Euro.

Mehr Flüge, mehr Besucher

Die, die ohnehin schon am Rand des Existenzminimums leben, verlieren am meisten: Der Mindestlohn wird um 1 Euro, das Kindergeld um 10 bis 20 Euro im Monat und die Sozialhilfe um rund 5 Prozent gekürzt. Die staatlichen Renten sinken um 5 bis 9 Prozent, zahlreiche Steuererleichterungen fallen weg, Steuerfreibeträge werden gesenkt.

Bisher musste man erst ab 18.000 Euro Einkommen im Jahr Steuern zahlen, künftig bereits ab 15.000 Euro. Die Benzinsteuer wird erhöht, aber die Flughafensteuer soll von 10 auf 2 Euro sinken. Damit will der grüne Transportminister den Flugverkehr ankurbeln und mehr Touristen nach Irland locken.

Insgesamt sollen im nächsten Jahr 6 Milliarden Euro eingespart werden. Das war die Bedingung von EU und Internationalem Währungsfonds für das sogenannte Rettungspaket von 85 Milliarden Euro, das vor zehn Tagen bewilligt wurde.

Eine Rettung der Grünen Insel ist jedoch nicht in Aussicht. Die 6 Milliarden sind ein Klacks im Vergleich zu den Zinsen, die für dieses vermeintlich hilfreiche Paket fällig werden. EU und IWF haben Irland 5,8 Prozent für den Kredit aufgedrückt, mit dem die Insel ihre Schulden bei den ausländischen Banken begleichen soll. Die Zinszahlungen für Irlands Gesamtschulden von 175 Milliarden Euro liegen bei 8,5 Milliarden im Jahr. Mit Sparen ist der Staatsbankrott da nicht mehr abzuwenden.

7 Dec 2010

AUTOREN

Ralf Sotscheck

ARTIKEL ZUM THEMA

Regierung in Dublin demontiert sich selbst: Eine echte irische Provinzposse

Alles fing damit an, dass Irlands Premier Cowen keinen Grund mehr für einen Rücktritt sah. Seither geht's bergab - in rasanter Talfahrt. Und dann wartet ja noch der März.

Irlands Regierungspartei in der Krise: Machtkampf in der Fianna Fáil Partei

Irlands Regierungspartei steckt tief in der Krise. Jetzt droht eine Kampfabstimmung in den eigenen Reihen. Außenminister Martin tritt gegen Premier Cowen an. Der Ausgang ist ungewiss.

Europas Umgang mit den Finanznöten: Durchwurschteln durch die Krise

Rettungspakete hin, rigorose Sparmaßnahmen her: Das Krisenmanagement der EU funktioniert bisher nur bedingt. Die Märkte beruhigen sich nicht. Woran liegt das?

Debatte Irland: Da lacht die Bank

Befolgen die Iren die Anweisungen ihrer Regierung, werden sie auf ewig in der Krise stecken. Am besten, sie weigern sich, die Schulden zu zahlen.

Finanzminister streiten über Rettungsschirm: 750 Milliarden Euro sollen reichen

Die EU-Finanzminister sind zerstritten. Sie konnten sich in Brüssel nur darauf einigen, nichts zu beschließen. Der Rettungsschirm soll nicht erweitert werden.