taz.de -- 3000 Polizisten im Einsatz: Castor rollt Richtung Lubmin

Seit Dienstag, 20:04 Uhr, rollt der Castor auf der Schienenstrecke. 3000 Polizisten werden im Einsatz sein. Zahlreiche Aktionen sind geplant: Lichterketten, Demos, Blockaden – und Schottern.
Bild: Keine schöne Bescherung: Im Osten wird der Castor schon erwartet.

PARIS/SCHWERIN/WITTENBERGE afp/dpa/dapd | Exakt um 20:04 Uhr ist der Zug mit den Tiefladern, auf denen sich die vier Castorbehälter befinden, im französischen Aix-en-Provence in Richtung Zwischenlager Nord bei Lubmin gestartet. Das teilte der taz Greenpeace-Strahlenschutzexperte Christoph von Lieven mit. Die Frage ist nun, welche Route der Transport auf seinem Weg ins Seebad Lubmin nimmt: Über Wörth oder Kehl? Über Niedersachsen, Sachsen-Anhalt oder durch den Osten Berlins hindurch und weiter über Oranienburg oder Biesenthal?

Die Brennelemente, die in Cadarache gelagert worden waren, stammen ursprünglich aus einem stillgelegten Forschungsreaktor in Karlsruhe und von dem Forschungsschiff "Otto Hahn". Die vier Castor-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll seien am Mittag mit Spezialkränen auf den Zug umgeladen worden, teilten das französische [1][Netzwerk Sortir du Nucléaire] und Greenpeace mit. Bereits am Montagabend seien die Behälter von Cadarache zum Verladebahnhof in der Nähe von Aix-en-Provence gebracht worden.

Der Transport soll im Laufe der Woche in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern ankommen. Atomkraftgegner im benachbarten Brandenburg rechnen damit, dass der Transport voraussichtlich Mittwochabend oder in der Nacht zu Donnerstag aus Sachsen-Anhalt kommend über Wittenberge und Karstädt die Prignitz durchquert und dann Mecklenburg-Vorpommern erreicht.

Das Anti-Atom-Bündnis Nordost forderte, den Castor-Transport wegen der zu erwartenden Witterung mit Schneefällen, Schneeverwehungen und Frosttemperaturen abzusagen. Das Bahnnetz sei für solche Extremereignisse nicht ausgelegt, sagte ein Sprecher der Initiative. So könnten vereiste Oberleitungen dazu führen, dass die Castor-Behälter längere Zeit zwischengeparkt werden müssten.

Unabhängig von der tatsächlichen Route des Castor-Transports bereitet sich die Brandenburger Polizei auf einen größeren Einsatz vor. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) rechnet mit Protesten, zudem müsse der Atommüll-Transport gesichert werden. Wann und wo genau die Castoren durch die Mark rollen werden, wollte ein Ministeriumssprecher nicht sagen: "Sicherheitsinteressen verbieten eine Vorab-Information zu Route und Zeitpunkt", sagte er.

Wegen der zu erwartenden Proteste seien 3000 Polizisten im Einsatz, davon 1200 aus Mecklenburg-Vorpommern, teilte der mecklenburg-vorpommersche Innenminister Lorenz Caffier (CDU) am Dienstag in Schwerin mit. Etwa 1800 Polizisten würden von anderen Bundesländern gestellt. Zudem sei auch die Bundespolizei im Einsatz. Caffier appellierte an die Demonstranten, den Protest "sachlich und gewaltfrei zu artikulieren".

Am Zwischenlager Nord sind inzwischen die Vorbereitungen für die Ankunft des Castor-Transports in die heiße Phase gegangen. Entlang des letzten, etwa 22 Kilometer langen Bahnabschnitts zwischen Greifswald und Lubmin haben Polizeistreifen an wichtigen Punkten wie Bahnübergängen und -haltepunkten Stationen bezogen. Wie der Präsident der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt, Joachim Franklin, mitteilte, haben Aktivisten bereits an neun Stellen Schotter an den Gleisen entfernt. Die Bundespolizei verstärkte daraufhin den Patrouillendienst.

Unterstützt werden die Sicherheitskräfte seit Dienstag auch von einer Reiterstaffel mit zwölf Dienstpferden von der Berliner Bundespolizei. Die Streifen zu Pferd könnten auch an schwer zugänglichen Stellen zum Einsatz kommen, sagte ein Polizeisprecher. Die Tiere würden in einem Reiterhof in Trassenheide auf Usedom untergebracht.

Am Wochenende hatten mehrere tausend Atomkraftgegner in Greifswald gegen den Transport protestiert. Und die Proteste gegen den Castor-Transport gehen weiter. Am Abend wollten Kernkraftgegner in Greifswald eine Lichterkette bilden. In Rostock ist ebenfalls eine Mahnwache angekündigt.

Anfang November waren Zehntausende gegen einen Castor-Transport aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague nach Gorleben auf die Straße gegangen. Der Transport hatte wegen zahlreicher Stör- und Blockadeaktionen entlang der mehr als 1000 Kilometer langen Strecke durch Frankreich und Deutschland insgesamt rund 91 Stunden gedauert.

14 Dec 2010

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[1] http://www.sortirdunucleaire.org/

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