taz.de -- Das Lötzsche Manifest: Marx verwirrt Linkspartei

Gesine Lötzsch, Linken-Bundeschefin aus Berlin, schreibt über "Wege zum Kommunismus". Oder doch eher über grüne Programmatik?
Bild: Einmal Aufregung, bitte: Gesine Lötzsch, Linken-Chefin.

Ein Meisterstück sieht anders aus. Der Text der Bundesvorsitzenden der Linkspartei Gesine Lötzsch, publiziert am Montag in der Jungen Welt, enthält vor allem eine Menge Ausrufezeichen, noch mehr Fragezeichen, etwas Werbung für die Linkspartei und ach ja, um Kommunismus geht es auch. Ein bisschen Novemberrevolution, ein bisschen Rosa Luxemburg, ein bisschen KPD. "Wege zum Kommunismus" steht drüber und zwei Tage nach dem Erscheinen, scheint das auch der Rest der politischen Welt mitbekommen zu haben.

Den Anfang machte Hubertus Knabe Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte in Hohenschönhausen. Der sagt, ihm werde "Angst und Bange" bei diesen Thesen. Bernd Krömer, Generalsekretär der Berliner CDU sieht gar einen "minimalen freiheitlich-demokratischen Konsens in der Stadt" aufgekündigt.

Doch auch in der Linkspartei selbst herrscht Irritation. "Wir haben Gesine Lötzsch bislang nicht als eine Vorsitzende erlebt, die die Linke in eine kommunistische Partei umwandeln will", ließ der Landesvorsitzende der Berliner Linkspartei, Klaus Lederer wissen. Natürlich sei das Vermächtnis von Rosa Luxemburg wichtig und im Entwurf für das Parteiprogramm. Aber man verstehe sich doch als Partei des demokratischen Sozialismus. Mittlerweile ruderte auch Lötzsch selbst ein Stück zurück und stellte klar, dass die Linkspartei nicht kommunistisch sei. Oder werde.

All diese Aufregung und das auch noch kurz vor der traditionellen Demonstration zum Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am kommenden Wochenende. Dabei ist der Text an konkreten Ideen recht übersichtlich - zumal die Ansätze nicht unbedingt auf das Parteiprogramm der Linkspartei schließen lassen. Eine Kostprobe? Energetische Gebäudesanierung, CO2-freie Städte, Verlagerung des Transports auf die Schiene. Heißt das neuerdings Kommunismus? Oder sollte hier aus Versehen ein Absatz aus dem Programm der Grünen mit hinein gerutscht sein?

Vielleicht sollte man erst einmal die Begriffe klären. Oder gleich über Inhalte reden. Dann muss sich der gute alte Marx auch nicht im Grabe umdrehen.

5 Jan 2011

AUTOREN

Svenja Bergt

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