taz.de -- Programmdebatte der Linkspartei: Linke-Chefin macht auf linksradikal
Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch lobt den "Kommunismus". Der "Spiegel" skandalisiert die Äußerung, die CDU spricht von einer "skandalösen Kommunismus-Sehnsucht".
Es geht nur um ein Wort: "Kommunismus". Linksparteichefin Gesine Lötzsch, Ex-SED-Mitglied, hat es in einem Text für eine von der Zeitung junge welt veranstaltete Konferenz am Wochenende in Berlin verwandt. In dem auf der Website der jungen welt veröffentlichten Text sucht die Parteichefin "Wege zum Kommunismus". Diese seien "in der Opposition oder in der Regierung" möglich. Es gebe jedenfalls "sehr viele unterschiedliche Wege."
Den Fall skandalisierte der Spiegel-Journalist Stefan Berg, der bei Lötzsch "die Logik einer geschulten Leninistin" entdeckte. Sie deklariere den Kommunismus als Ziel der Geschichte, während die Partei bei dieser Suche traditionsgemäß die Leitung übernehme. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe attestierte Lötzsch "skandalöse Kommunismus-Sehnsucht". Die Linkspartei sei ein "Verfassungsfeind".
Doch von leninistischen Avantgardekonzepten ist bei Lötzsch keine Rede. Eher präsentiert sie Rosa Luxemburgs Politik als Gegenmodell zu leninistischen Masterplänen.
Der Text formuliert vielmehr den Konsens der Programmdebatte der Linkspartei. Regieren ja, aber nur wenn wesentliche Veränderungen erzielt werden. Man brauche eine "radikale Realpolitik". Mit dieser Formel können Pragmatiker und Fundis in der Partei leben.
Allerdings gibt es auch in der Linkspartei Zweifel, ob Lötzschs Auftritt politisch klug ist. "Mit unserer Geschichte geht das nicht", kritisiert ein Spitzenlinker. "Wer Kommunismus sagt, muss auch die Verbrechen und Toten erwähnen." Andere sehen die Sache entspannter. Bodo Ramelow, pragmatischer Fraktionschef in Thüringen, sagte der taz, dass Kommunismus nicht seine "Wortwahl" sei, ansonsten aber könne er "den Text fast vollständig unterschreiben". Und: "Wer Lötzsch kennt, weiß, dass sie keine Gulags bauen will."
Am Samstag wird Lötzsch auf der Konferenz mit der Ex-Terroristin Inge Viett und der DKP-Vorsitzenden Bettina Jürgensen über Kommunismus diskutieren. Ungewöhnlich sind Auftritte von linken Spitzenpolitikern bei dem Sektiererblatt junge welt nicht. 2006 hatte Oskar Lafontaine dort die Regierungsbeteiligung der Linkspartei in Berlin unter Feuer genommen. Verglichen damit dürfte Lötzschs Auftritt unspektakulär werden.
5 Jan 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Früher war Inge Viett bei der RAF, heute soll sie Straftaten gebilligt haben, nämlich das Abfackeln von Bundeswehrfahrzeugen als Anti-Kriegs-Aktion. Das sei "legitim", soll Viett gesagt haben.
Die Linken-Parteichefin wehrt sich: Gabriel betreibe eine "üble Diffamierungskampagne". Ihr Co-Vorsitzender Klaus Ernst betont, niemand in der Partei wolle den Kommunismus.
Sozialistin oder verkannte Demokratin: Die Politologin Anna Best-Kubik hat sich in einem Buch mit Rosa Luxemburgs Demokratieverständnis befasst.
Die umstrittene Kommunismus-Äußerung der Linke-Chefin Gesine Lötzsch regt weiter auf. CSU-Generalsekretär Dobrindt will "unter Umständen" ein Verbotsverfahren anstrengen.
Gesine Lötzsch, Linken-Bundeschefin aus Berlin, schreibt über "Wege zum Kommunismus". Oder doch eher über grüne Programmatik?
Die Reaktionen auf Gesine Lötzschs Kommunismuslob sind überzogen. Ihr Text hat ein ganz anderes Problem. Er zeigt, wie sehr die Linkspartei geistig im Gestern hockt.