taz.de -- Streit der Woche: Sind die Verbraucher selber schuld?

Zuerst war das Dioxin in den Eiern, nun auch im Fleisch. Verbraucherschützer fordern schärfere Kontrollen. Andere sagen: Jeder Konsument trägt selbst Verantwortung
Bild: Mit Gift oder ohne?

Berlin taz | Auf einem Hof in Niedersachsen wurden nun erstmals ein erhöhter Dioxinwert in Schweinefleisch nachgewiesen. Alle Tiere des Mästers wurden getötet. Gleichzeitig dürfen gesperrte Gefügel- und Rinderhalter der Region nach und nach wieder Eier und Milch verkaufen. Tausende Betriebe standen dort in Verdacht, dioxinhaltiges Tierfutter verwendet zu haben. Sie durften vorsorglich nicht ausliefern. Nun aber kauft keiner mehr die Eier aus verdächtigten Höfen – den Landwirten drohen immense Verluste.

Warum müssen sie auch billiges Futter verwenden, fragen Verbraucherschützer. Der erneute Dioxin-Skandal zeige doch nur, dass die Nahrungsmittel-Produzenten ihre Probleme nicht in den Griff bekommen. Immer größer werden die Ställe für Hühner, Schweine und Kühe, immer mehr Profit muss die Lebensmittelproduktion bringen. Die Verseuchungen zeigten, dass das Nahrungsmittel dadurch nicht mehr sicher seien. Die Politik müsse jetzt aktiv werden, fordern die Konsumentenvertreter. Es brauche strengere Gesetze, deren Einhaltung genauer kontrolliert werden müsse.

Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner sieht die Schuld bei den Produzenten: Die Täter hätten in völlig unverantwortlicher und skrupelloser Weise gehandelt. Sie will nun die Überprüfung von Futtermittelbetrieben verschärfen. Die Verarbeitung von Futtermittelfetten und Industriefetten sollen ab sofort streng getrennt werden, sagte die CSU-Politikerin.

Konsumaktivisten halten jedoch dagegen: Auch schärfere Kontrollen böten keinen absoluten Schutz. Der Käufer müsse selbst mehr Verantwortung übernehmen. Wer nur einen Euro für seinen Cheeseburger ausgeben will, brauche sich über solche Skandale nicht zu wundern. Weil die Kunden immer nur auf den Preis schauen, seien Bauern darauf angewiesen, so kostengünstig wie möglich zu produzieren, um zu überleben. So könnten die billigen Futtermittel und damit Schadstoffe wie das Dioxin überhaupt erst in den Umlauf geraten. Deshalb appellieren Spitzenköche und Öko-Verbände für ein bewussteres Einkaufen.

Kommende Woche beginnt in Berlin die Grüne Woche, die weltweit größte Nahrungsmittelmesse. Die Aussteller werden sich auch in diesem Jahr bemühen, die Besucher an den gedeckten Tisch zu locken. Währenddessen werden tausende Gegner der aktuellen Agrarpolitik am Samstag, dem 22. Januar, in der Stadt demonstrieren. Sie streiten, wer Verantwortung übernehmen muss.

Was meinen Sie: Sind die Verbraucher selber schuld

11 Jan 2011

ARTIKEL ZUM THEMA

Aigner stellt Dioxin-Aktionsplan vor: "Hausaufgaben nicht gemacht"

Schärfe Kontrollen, Positivlisten und härtete Strafen. Das sind einige der Auflagen, mit denen die Verbraucherministerin dioxinverseuchte Lebensmittel verhindern will.

Harles und Jentzsch meldet Insolvenz an: "Hohes Maß krimineller Energie"

Die Firma Harles und Jentzsch meldet Insolvenz an. Der Verkauf dioxinbelasteter Fette als Futtermittel-Bestandteil soll "systematisch" abgelaufen sein. Es drohen Haftstrafen.

Kommentar Die Grünen: Das Künast-Syndrom

2011 wird zum Bewährungsjahr der Grünen - und es ist nicht klar, ob die Partei diese Prüfung bestehen wird. Denn die Partei muss zeigen, wofür sie steht. Und nicht, wogegen.

Dioxin-Skandal: Alles ist vergiftet

Jetzt auch noch die Schweine! Doch reicht es für alle, wenn wir aus der Massenproduktion aussteigen? Aber ja! Die taz präsentiert den Fahrplan für eine neue Agrarwende.