taz.de -- Wogenglätten in Tunesien: Basteln an einer neuen Regierung

Die Übergangsregierung um Premier Ghannouchi verhandelt mit Gewerkschaftlern und anderen Oppositionellen. Derweil sind die Ermittlungen gegen Ben Ali eröffnet.
Bild: Wollen aus dem Schatten von Ben Alis Regierungspartei RCD treten: Fouad Mebazaa und Premier Ghannouchi (rechts).

Am Tag nach der Vereidigung des tunesischen Rumpfkabinetts sind die Handys hinter den Kulissen heißgelaufen. Die Übergangsregierung des alten und neuen Ministerpräsidenten Mohammed Ghannouchi verhandelte mit der Gewerkschaft UGTT und dem Demokratischen Forum für Arbeit und Freiheit (FDTL), um doch noch deren Beteiligung zu erreichen.

Die drei designierten Minister aus der Reihen der UGTT hatten am Dienstag ihre Vereidigung auf Druck ihrer Gewerkschaft abgelehnt. Mustapha Ben Jaafar vom FDTL hatte die seine "ausgesetzt". Die vier demonstrierten damit gegen den Verbleib mehrerer Schlüsselressorts bei der alten Regierungspartei RCD. In mehreren Städten kam es erneut zu Demonstrationen unter dem Motto "RCD raus!".

Um die Wogen nach einem turbulenten Start der Übergangsregierung zu glätten, traten Übergangspräsident Fouad Mebazaa und Premier Ghannouchi am Dienstagabend aus der RCD aus. Ghannouchi war bisher stellvertretender Vorsitzender der ehemaligen Staatspartei des gestürzten Diktators Zine El Abidine Ben Ali. Parteichef Ben Ali wurde am selben Tag aus der Partei ausgeschlossen.

Die Übergangsregierung vertagte am Nachmittag ihre erste Kabinettssitzung auf Donnerstag. "Wir hoffen, dass die anderen Oppositionskräfte doch noch teilnehmen", erklärte die Generalsekretärin der Fortschrittlich Demokratischen Partei (PDP), Maya Jribi, gegenüber der taz. PDP-Chef Nejib Chebbi hat das Ministerium für regionale Entwicklung akzeptiert. Außerdem sind Ahmed Brahim von der postkommunistischen Ettajdid und mehre unabhängige Persönlichkeiten der Regierung der Nationalen Einheit beigetreten.

"Wenn diese Regierung nicht ihre Arbeit aufnimmt, ist das für Tunesien sehr gefährlich", warnt PDP-Sprecherin Jribi. Dann drohe das Land in eine Krise zu stürzen, in der es nicht möglich sei, freie Wahlen vorzubereiten. "Die Demonstranten haben das Recht, auf die Straße zu gehen, aber ich frage mich, was ist die Alternative? Dass die Armee die Staatsgeschäfte übernimmt?", gibt Jribi zu bedenken.

Es wird erwartet, dass die Übergangsregierung auf Drängen der PDP und Ettajdid erste wichtige Schritte zur Entflechtung von Staat und RCD bekannt gibt. Alle Parteizellen in Verwaltung und Staatsbetrieben sollen aufgelöst und deren Guthaben beschlagnahmt werden. Das restliche Vermögen der Staatspartei soll eingefroren werden, bis überprüft wird, was davon rechtmäßig ist und was auf Korruption zurückgeht. Gegen Ben Ali wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet, um zu prüfen, ob er und seine Familie sich illegal Vermögen angeeignet und ins Ausland geschafft haben. Kurz zuvor hatte die Schweiz erklärt, Ben Alis Konten zu sperren.

19 Jan 2011

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Reiner Wandler

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