taz.de -- Kommentar Vatikan und Berlusconi: Berlusconi allein zu Haus
Erstmals distanziert sich der Vatikan wegen Berlusconis Sex-Eskapaden vom italienischen Ministerpräsidenten. Das könnte ihm letztendlich sein Amt kosten.
Nun wird es auch dem Vatikan zu bunt. Jahrelang hatte die Kurie sich auch von Silvio Berlusconis wildesten Eskapaden nicht groß schockieren lassen. Weder im Jahr 2009 die 17-jährige Noemi noch dann im Jahr 2010 das Callgirl Patrizia D'Addario und ihre Enthüllungen konnten den Prälaten mehr entlocken als ein milde tadelndes Kopfschütteln.
Schließlich weiß die Kirche, was sie an Berlusconi hat, auch wenn der ein Lotterleben führt, das ihm, wenn nicht die Hölle, so doch einige hundert Jahre Fegefeuer einbringen müsste. Berlusconi ist als Aufschneider bekannt, der sich gern mit Napoleon oder Kaiser Justinian vergleicht, mit einem Selbstlob allerdings hat er völlig recht: Seine Regierung sei "die Kirchenfreundlichste in der Geschichte Italiens".
Egal ob Zuwendungen für die katholischen Privatschulen, Befreiung der Kirchenimmobilien von der Grundsteuer oder die Verhinderung eines Gesetzes zur Schwulenehe: Berlusconis Rechtskoalition lieferte alles, was der Vatikan bestellte. So devot war nicht einmal der - anders als Berlusconi wirklich fromme - frühere Mitte-links-Premier Romano Prodi.
Prodi hatte die Frechheit besessen, der Kirchenhierarchie ins Gesicht zu sagen, er sei nun einmal "ein erwachsener Katholik", der selbst wisse, was in der Politik zu tun sei. Das reichte dem Vatikan, um ihn zum Abschuss freizugeben - die Kardinäle nämlich brauchen beileibe keinen Gott-sei-bei-uns wie den spanischen Zapatero, um aus der Façon zu geraten.
Aus der Fassung brachte sie dagegen Berlusconi erst jetzt - wohl weil bezahlter Sex mit einer Minderjährigen im Spiel ist. Der Vatikan geht auf Distanz. Noch muss sich zeigen, ob damit das bisherige Tauschgeschäft der Tolerierung privater "Ausrutscher" gegen solide politische Dienstbarkeit wirklich gekündigt ist. Dann wäre Berlusconi definitiv erledigt.
21 Jan 2011
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