taz.de -- Interner Bericht: IWF bescheinigt sich Versagen

Ein interner Bericht zeigt, wie der Internationale Währungsfonds Warnungen vor der aufziehenden Krise systematisch ignorierte. Ein Grund: zu viel Ehrfurcht vor den USA.
Bild: Der IWF lobte den Kurs der USA, obwohl es im Haus Warnungen gab.

Als die globale Finanzkrise 2007 mit dem Kollaps mehrerer Hedgefonds und Investmentbanken begann, da war der Internationale Währungsfonds (IWF) genauso überrascht wie jeder Laie. Ein interner Untersuchungsbericht legt jetzt offen, wie blind der Fonds den Finanzmarktentwicklungen gegenüber war. Selbst als sich die Krise schon am Horizont zusammenbraute, "war die Botschaft stets von Optimismus geprägt", heißt es in dem Bericht des 2001 eingerichteten Unabhängigen Evaluierungsbüros des IWF.

Schon nach der Asienkrise von 1997/98, von der der IWF ebenfalls überrascht worden war, hatte er ungerechtfertigten Optimismus eingeräumt. Nach der Krise beauftragte die Staatengemeinschaft den Fonds, die Finanzmärkte zu überwachen und bei den ersten Krisenanzeichen Alarm zu schlagen. Die Studien über globale Finanzstabilität, die der Fonds seit 2002 brav veröffentlicht, nannten tatsächlich auch einige Risiken. "Aber diese wurde in einer sehr allgemeinen Form und ohne Einschätzung ihrer Größe dargestellt, und sie wurden durch den allgemein zuversichtlichen Ausblick gleich wieder konterkariert", heißt es [1][in dem Bericht].

Die Fehleranalyse des Evaluierungsbüros lässt kein gutes Haar an der Managementkultur des IWF: Anpassung an die Mehrheitsmeinung, der feste Glaube an die Selbstregulierung der Märkte, mangelhafte analytische Ansätze und eine "übermäßige Ehrfurcht" besonders vor den US-amerikanischen und britischen Finanzbehörden sind nur einige der aufgeführten Kritikpunkte. So waren die reichen Länder von einem vor der Krise durchgeführten Stresstest von vornherein ausgenommen worden. Der Bericht fordert daher nicht nur institutionelle Reformen, sondern auch ein Betriebsklima, das auch das Aussprechen abweichender Meinungen und unangenehmer Wahrheiten zulässt.

Denn selbst wenn Experten innerhalb des IWF deutlichere Warnungen aussprachen – so wie Chefökonom Raghuram Rajan, der schon 2005 auf die Gefahren deregulierter Märkte hinwies, sei das im eigenen Haus einfach ignoriert worden. Vielmehr habe der IWF beispielsweise die USA für ihren Kurs gelobt, weil dieser für Innovationen auf den Finanzmärkten und eine Wachstumsbeschleunigung gesorgt habe.

Die Risiken, die zugleich durch die Immobilienblase und durch komplexe neue Finanzinstrumente entstanden waren, seien demgegenüber heruntergespielt und Rufe nach strengerer Regulierung abgebügelt worden. IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn gab sich dementsprechend zerknirscht. Der Fonds habe aber bereits mit Reformen begonnen, die zu einer besseren Überwachung der Stabilität auf den Finanzmärkten führen sollen.

10 Feb 2011

LINKS

[1] http://imf-ieo.org/eval/complete/eval_01102011.html

AUTOREN

Nicola Liebert

ARTIKEL ZUM THEMA

Dominique Strauss-Kahn: Das vorzeitige Ende einer Karriere

Strauss-Kahn galt als Hauptkonkurrent für Nicolas Sarkozy. Jetzt sitzt der IWF-Direktor wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung in U-Haft. Stationen eines schillernden Lebens.

Frühjahrstagung des IWF: Zarte linke Blüten

Mehr Staat, weniger Markt: Direktor und Chefökonom des Internationalen Währungsfonds fordern vor der Frühjahrstagung ein Ende des neoklassischen "Washington Consensus".

EU-Kommissar Barnier zu Bankenrisiken: Private Investoren sollen haften

EU-Kommissar Barnier macht Vorschläge für einen europaweiten Notfallplan gegen Bankenkrisen: Nicht die Steuerzahler, sondern die Investoren sollen Verluste tragen.

Krise der europäischen Währung: Der Tod des Euro ist zu teuer

Trotz der Krise wird uns die Gemeinschaftswährung erhalten bleiben. Ein Ausstieg aus dem Euro würde zum ökonomischen Kollaps vieler Länder führen.

Nach dem G20-Gipfel: Anfänge einer neuen Ordnung

Am Ende sind sie alle Freunde: Das Treffen der 20 großen Wirtschaftsnationen endet mit einem Kompromiss. Auch China macht Zugeständnisse.

Kommentar US-Finanzmarktreform: Kettensäge im Aktenschrank

Trotz der Finanzmarktreform ist das neoliberale Zeitalter mit seiner blinden Gläubigkeit an Unfehlbarkeit und Effizienz der Märkte noch lange nicht vorbei.