taz.de -- Nachrichten aus Tokio: Noch warten die Japaner ab

Unser taz-Korrespondent in Tokio berichtet über die Stimmung in Japan. Noch sei es ruhig, doch seitdem auch über Tschernobyl gesprochen werde, sei allen der Ernst der Lage bewusst geworden.
Bild: Warten: Evakuierte und Erdbeben-Opfer wie hier in der Präfektur Ibaraki.

Die Japaner gehen überlegt und koordiniert mit der Katastrophe um. Es gibt keine Kritik am Vorgehen. Auch die Opposition spielt mit. Die AKW-Geschichte ist zwar beunruhigend, aber man sehe es noch ruhig und sachlich.

Er berichtet weiter, dass er trotz anders lautender Meldungen am Samstag keine Hamsterkäufe beobachten konnte. Er sei der einzige gewesen, der in größeren Mengen eingekauft habe. Sein Obstverkäufer nannte das Erdbeben sogar eine "historische Erfahrung", von der er seinen Enkeln noch erzählen könne.

Auch das Stichwort Tschernobyl sei den ganzen Tag nicht gefallen. Erst als sich die Lage in den Atomkraftwerken zuspitzte, wurde der Begriff auch offiziell benutzt. Vielen war dann erst richtig klar, wie ernst es ist.

In Tokio sind heute viele Menschen zu Hause geblieben. Der Zugverkehr hat sich noch nicht normalisiert. Die Japaner würden abwarten. Sie hätten generell eine sehr hohe Schwelle, bis sie reagieren würden. Wenn es dann aber so weit sei, würden fast alle gleichzeitig agieren. Das Problem an der 30-Millionen-Metropole Tokio sei, dass sie nur wenige Ausgänge ins Land habe und diese schon an normalen Werktagen regelmäßig verstopft sind.

Ein weiteres Problem sei, dass es wahrscheinlich nicht genug Strom geben wird, da elf AKWs vom Netz genommen wurden, um die Last eines Samstagabends abzufangen. Der Betreiber Tepco rief die Bevölkerung deshalb dazu auf, keine Heizungen und Klimaanlagen zu benutzen, sonst müssten in weiteren Teilen des Landes der Strom zwangsabgeschaltet werden.

Jetzt sei es 20 Uhr am Abend und dunkel. Im Fernsehen würden sie nur Bilder vom Tag zeigen, aber wegen der Dunkelheit keine aktuellen Aufzeichnungen mehr von den betroffenen Atomkraftwerken. Das sei etwas beunruhigend.

Protokolliert um 12 Uhr MEZ

12 Mar 2011

AUTOREN

Martin Fritz

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