taz.de -- Neuer Glücksspielstaatsvertrag: Wetten wird Privatsache

15 der 16 Bundesländer einigen sich auf eine Neuregelung des Glücksspielmarktes. Künftig können auch private Anbieter Lizenzen erhalten – zunächst sieben Sportwettenbetreiber für fünf Jahre.
Bild: Blingblingblingbling-blingblingbling!

BERLIN dpa/rtr | Die Länder haben sich grundsätzlich auf Eckpunkte für eine Neuregelung des Glücksspielmarktes verständigt. Das teilten der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und sein Amtskollege aus Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), am Mittwoch in Berlin mit. Die Eckpunkte werden von 15 Ländern unterstützt. Lediglich Schleswig-Holstein prüft noch einige Fragen.

Bei Sportwetten sollen bundesweit an private Anbieter sieben Konzessionen vergeben werden. Deren Wirkung soll nach fünf Jahren überprüft werden. Deren Auswirkungen – unter anderem auf die Spielsucht – sollen nach fünf Jahren überprüft werden. Bei Fußballspielen soll künftig nur noch auf das Endergebnis und nicht mehr auf Zwischenergebnisse oder den nächsten Torschützen gewettet werden können.

Der derzeitige Glücksspielstaatsvertrag läuft Ende des Jahres aus, daher müssen die Länder spätestens bis dahin eine Lösung finden. Der Europäische Gerichtshof hatte den deutschen Glücksspielstaatsvertrag im September für unzulässig erklärt, weil er nicht das Ziel verfolge, die mit dem Glücksspiel einhergehende Suchtgefahr zu bekämpfen. Grundsätzlich sei aber ein staatliches Wettmonopol zulässig, wenn es dem Schutz der Verbraucher diene. Auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig urteilte ähnlich: Das Sportwettenmonopol dürfe nur bestehen bleiben, wenn es ausschließlich der Bekämpfung der Spielsucht diene.

Trikot- und Bandenwerbung für Sportwetten würden zugelassen, Fernsehwerbung dafür Umfeld von Sportsendungen dagegen nicht. Der Chef des Wettanbieters Tipp24, Magnus von Zitzewitz, hatte zuvor die Bedeutung der Werbung für die Branche betont. "Wer nicht wirbt, der stirbt", sagte er der Zeitung "Die Welt". Von der Öffnung des Sportwettenmarktes dürften private Anbieter wie bwin und Tipp24 profitieren.

Auch für das Internetangebot von Casino-Spielen vereinbarten die Ministerpräsidenten eine Regelung für eine Testphase von fünf Jahren. Danach soll das Angebot der Spielbanken weiter zahlenmäßig streng begrenzt bleiben. "Internetangebote von Casino-Spielen sind nur bei realen Spielen wie sie im Spielsaal einer konzessionierten Spielbank vor Ort ... angeboten werden zulässig", erklärten die Ministerpräsidenten.

Milliardeneinnahmen durch Glücksspiel

Das Volumen des bisher weitgehend illegalen Sportwettenmarktes liegt nach früheren Schätzungen bei rund fünf Milliarden Euro. Einig waren sich die Ministerpräsidenten schon länger darin, dass das staatliche Monopol für die Lotterie erhalten bleiben soll. Die SPD-regierten Länder hatten sich jedoch lange dagegen gesträubt, Sportwetten privater Anbieter zuzulassen, während die unions-regierten Länder eine Marktöffnung anstrebten.

Die Länder haben ein erhebliches Interesse am Aufkommen aus den Wettgeschäften. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass Lotterien und Spielbanken 2010 3,3 Milliarden Euro in die Kassen der Länderfinanzminister spülten. Allein bei der Lotteriesteuer wurden Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro erwartet. Aus Fußballtoto und Zahlenlotto wurde mit weiteren 1,5 Milliarden Euro gerechnet. Die Spielbanken tragen mit voraussichtlich 300 Millionen Euro zu den Ländereinnahmen bei.

6 Apr 2011

TAGS

WM 2011 – Mixed Zone

ARTIKEL ZUM THEMA

Sportwetten im Café King: Die Unberechenbaren

Milan Sapina liebt das Zocken und riskiert dafür sogar den Knast. Ein Hintergrundgespräch mit dem Wettexperten im Café King, dem berühmtesten Wettlokal Deutschlands.

Umstrittenes Urteil bestätigt: Keine Sportwetten bei Hartz-IV

Das Landgericht in Köln hat sein eigenes Urteil bestätigt: Hartz-IV-Empfänger dürfen nicht bei Sportwetten mitmachen. Wie das im Alltag überprüft werden soll, bleibt unklar.

Neue Gesetze für Glücksspielbetriebe: Game Over

Die Länder wollen die Regeln für private Spielhallen verschärfen. Doch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle glaubt unbeirrt an freiwillige Selbstverpflichtung.

Ärger über Glücksspiel-Staatsvertrag: Spielchen mit Netzsperren

Der Glücksspiel-Staatsvertrag soll Wettanbieter ohne Lizenz aussperren. Der Entwurf löst große Kritik aus - vor allem im Internet.

Länder verhandeln über Glücksspiel: Marktöffnung gegen illegale Wetten

Der Sportwettenbereich soll für private Anbieter geöffnet werden, um ihn besser kontrollieren zu können. Doch strengere Regeln für das Zocken an Automaten gibt es noch nicht.

Kommentar Politik und Glücksspiel: Die FDP geht ins Kasino

Die Ministerpräsidenten beraten derzeit über eine neue Regelung von Glücksspielen. Doch die sind eng mit den FDP-Finanzen verflochten.

Abzocke in der Spielhalle: Das Geschäft mit dem Glück

Der Staat ist größter Gewinner der Spielsucht: Er kassiert mehr als eine Milliarde Euro. Die Kommunen können die Höhe der Vergnügungssteuer selbst festlegen.

Drogenbeauftragte will schärfere Regeln: Glücksspiel soll raus aus Kneipen

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung will strengere Auflagen für Spielautomaten. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ist gegen ein Verbot in Kneipen.

Staatliches Glückspiel-Monopol aufgehoben: Schwarzmarkt könnte legalisiert werden

Der Europäische Gerichtshof kippt das deutsche Staatsmonopol für Lotterien und Sportwetten. Sportverbände dürften nur halb zufrieden sein.