taz.de -- Atomzeichen im Gemeindewappen: Strahlende Vergangenheit
Das Image der Atomkraft war nie so schlecht wie heute. Dumm nur, wenn man in diesen Tagen ausgerechnet im Gemeindewappen ein Atomzeichen führt.
Sie denken, das gibt's nicht? Aber sicher. Und zwar dreimal in Deutschland. Nämlich in Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe, ferner im unterfränkischen Karlstein am Main und im bayerischen Gundremmingen.
Jeweils prangt auf dem Wappen das Bohr'sche Atommodell. Und dies nicht, weil man dem großen Physiker wissenschaftliche Verehrung zuteil werden lassen möchte. Sondern weil man stolz ist auf seine Atomanlagen am Ort. Oder es zumindest einmal war.
Leopoldshafen hatte ursprünglich ein Fischerboot im Wappen. Für einen Rheinanlieger war das ganz passend. Dann kam 1956 die Reaktorstation in die Gemeinde, das spätere Kernforschungszentrum Karlsruhe.
Und als man bei der Fusion von Eggenstein und Leopoldshafen im Jahr 1974 ein neues Wappen brauchte, griff man nach dem Atom. Das Fischerboot ging dabei unter. "Es passte von der Optik nicht mehr", heißt es heute im dortigen Rathaus. Auch eine schöne Begründung.
Voller Stolz das Atommodell in Wappen genommen
In Karlstein unterdessen erinnert das Wappen an das erste deutsche Atomkraftwerk, das ab 1958 im Ortsteil Großwelzheim errichtet wurde. Es erzeugte 1960 den ersten Strom. Voller Stolz nahm man sechs Jahre später das Atommodell ins Wappen von Großwelzheim auf. Als im Jahr 1975 die Gemeinden Dettingen und Großwelzheim zur neuen Gemeinde Karlstein fusionierten, übernahm auch die Gesamtgemeinde das Symbol.
Bleibt noch Gundremmingen. Dort findet man auf dem Wappen über einer Mauer mit Torturm - ein Hinweis auf eine römische Ausgrabungsstätte - das Atom. Denn am Ort gibt es drei Reaktoren. Einer allerdings erlitt bei einem Störfall 1977 einen Totalschaden. Seither ist er abgeschaltet.
Und wenn auch die beiden verbliebenen Meiler in Gundremmingen eines Tages keinen Strom mehr liefern werden? "Dann haben wir eben zwei Vergangenheiten im Wappen", sagt der Bürgermeister. Eine glanzvolle und eine strahlende. Ob man das Wappen dann ändern wird, weil man sich seiner Geschichte schämt? "Darüber", sagt der Rathaus-Chef, "hat sich bei uns noch niemand Gedanken gemacht".
Anders übrigens in Eggenstein-Leopoldshafen: "Gelegentlich wird über das Atomzeichen im Wappen schon diskutiert", sagt hier der Bürgermeister. Vielleicht kommt ja irgendwann das Fischerboot zurück.
30 May 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Die letzten Atomkraftwerke in Deutschland sollen im Jahr 2022 vom Netz, dann beginnt die energiepolitische Zukunft. Aber bis dahin dürfen 9 von 17 Meilern weiterlaufen.
Die spannende Frage ist, ob diese Regierung sich die Empfehlungen der Ethikkommission zu Herzen nehmen wird. Mit dem Gutachten hat sie alle Gründe dafür in der Hand.
Die Ethikkommission empfiehlt einen raschen Ausstieg aus der Atomkraft innerhalb von zehn Jahren. Die Energiewende sei auch ohne ausländischen Atomstrom möglich.
Die Umweltminister von Bund und Ländern haben sich geeinigt, dass sieben Atomkraftwerke nicht mehr ans Netz sollen. Krümmel wird nur in den Protokollnotizen genannt.