taz.de -- Teile-und-herrsche-Strategie im Jemen: Salehs Machtsystem
Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh schuf ein Netzwerk der Patronage. Doch dies kehrt sich jetzt gegen ihn. Auch Exgünstlinge streben nach einer Neuverteilung der Macht.
BERLIN taz | Seit über drei Jahrzehnten hat sich Ali Abdullah Saleh an der Macht gehalten, und nun sieht es so aus, als gehe seine Zeit als Präsident dem Ende entgegen. Ein stabiles Land war der Jemen unter seiner Ägide nie, und wenn er so lange politisch überlebt hat, ist dies auch seiner flexiblen Strategie des "Teile und herrsche" geschuldet.
Saleh stammt aus einfachen Verhältnissen. 1942 in dem Dorf Bait al-Ahmar südöstlich der Hauptstadt Sanaa geboren, erhielt er eine rudimentäre Grundschulbildung. Wie so viele in seiner Situation ging er zur Armee, machte Karriere und brachte es bis zum General. 1978 wurde er Präsident des Nordjemen, nach der Vereinigung mit dem ehemals sozialistischen Süden 1990 Oberhaupt des ganzen Landes.
Doch die erhoffte innere Einheit des Landes erreichte er nicht. Die Bevölkerung des Südens fühlt sich vernachlässigt. Zu der dortigen Unabhängigkeitsbewegung kommt ein immer wieder aufflammender Krieg im Norden, und die Präsenz von al-Qaida in einigen Regionen nährt die Befürchtung, der Jemen könne zu einem Failed State werden.
Saleh stützte seine Herrschaft nicht nur auf seine Partei, den Militär- und Geheimdienstapparat, sondern er schuf ein flexibles Patronage-System, an dem auch Stammesführer und andere regionale Machthaber teilhatten. Er schanzte Freunden und Verwandten Posten zu, spielte die Opposition gegeneinander aus oder holte sie ins Boot.
Darauf ist zurückzuführen, dass sich zu Beginn der Demonstrationen gegen seine Herrschaft im Januar die Oppositionsparteien zurückhielten, nicht seinen Rücktritt forderten und Kontakte zum Regime aufrecht erhielten. Das harte Vorgehen gegen die Protestierenden brachte sie wie auch Würdenträger des Regimes auf Distanz zu Saleh.
Im Laufe der Jahre reduzierte sich dieses System immer mehr auf Salehs Söhne und Neffen. Ehemalige Günstlinge fühlten sich an den Rand gedrängt und strebten nach einer Neuverteilung der Macht.
Bestes aktuelles Beispiel dafür sind die Kämpfe zwischen der Al-Ahmar-Familie vom einflussreichen Stamm der Haschid und den Anhängern Salehs. Vermutlich hat er es ihnen zu verdanken, dass er jetzt in einem Krankenhaus in Riad liegt.
5 Jun 2011
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