taz.de -- Gedenkfeier für den Ägypter Khaled Said: Ein Symbol für das brutale Regime

Vor einem Jahr wurde der Ägypter Khaled Said auf der Straße von Polizisten totgeprügelt. Die brutale Tat wurde zum Symbol für das alte Regime.
Bild: In Gedenken an Khaled Said, der vor einem Jahr in Alexandria getötet wurde.

KAIRO taz | Es war ein symbolischer Akt, der auch zeigt, dass in Ägypten neue Zeiten angebrochen sind. Mit Schablonen sprühte eine Gruppe Demonstranten das Gesicht Khaled Saids auf die Mauern des Innenministeriums in Kairo. Sie begingen damit einen traurigen, aber für die weitere Entwicklung des Landes wichtigen Jahrestag. Es war genau ein Jahr her, als der junge Ägypter Khaled Said von zwei Polizisten in Alexandria auf offener Straße zu Tode geprügelt worden war.

Khaled Said war letzten Sommer auf Facebook zu einem Wahrzeichen für Polizeiwillkür und die Brutalität des Sicherheitsapparates des seit drei Jahrzehnten in Ägypten regierenden Regimes unter Husni Mubarak geworden.

Die Facebook-Seite "Wir sind alle Khaled Said" hatte sich dann während der Revolution Anfang des Jahres zu einem der wichtigsten Mobilisierungsinstrumente für die Jugendlichen entwickelt. Das Bild des jungen Mannes wurde damals neben ein Foto gestellt, das dessen völlig entstellte Leiche zeigte.

"Khaled Said lebt in uns allen weiter, er war einer der wichtigen Gründe, warum wenige Monate darauf die Menschen gegen das Regime aufgestanden sind", meint der junge Psychologe Mustafa Hussein. Khaleds Fall sei derjenige gewesen, der die Menschen bereits vor der Revolution am meisten bewegt hat.

Doch die Demonstranten sind auch zusammengekommen, um ihren Unmut auszudrücken, dass sich im Innenministerium seit Mubaraks Zeiten zu wenig geändert hat. "Drei Viertel der Offiziere der Staatssicherheit arbeiten weiter, nur dass die Behörde von der ,Staats'- zur ,Heimatsicherheit' umgetauft wurde", beschwert sich Hussein.

Die Angst ist weg

Wie alle Demonstranten glaubt er, dass der Sicherheitsapparat bisher zu wenig angetastet wurde. Die meisten Offiziere, die sich Folter und Korruption schuldig gemacht hätten, seien weiterhin in Amt und Würden. Es gebe weder die Transparenz noch den politischen Willen der Militärführung, die das Land kommissarisch verwaltet, den Sicherheitsapparat neu aufzubauen, sagt er.

In den vergangenen Wochen sind mindestens drei Fälle bekannt geworden, dass Menschen auf Polizeiwachen gefoltert wurden. Dabei gibt es jetzt allerdings einen wichtigen Unterschied zu früher: Die Menschen lassen sich das nicht mehr gefallen.

Als vor ein paar Tagen die Geschichte eines Sammeltaxifahrers kursierte, der in der Polizeiwache in Askabiya im Zentrum Kairos gefoltert worden und ums Leben gekommen sein soll, stürmten dessen Familie und Kollegen kurzerhand die Wache. Den verängstigten Polizisten musste die Armee beispringen, die die Menge durch Schüsse in die Luft auseinandertrieb.

7 Jun 2011

AUTOREN

Karim Gawhary
Karim El-Gawhary

ARTIKEL ZUM THEMA

Justiz in Ägypten: Khaled Said nur halb gesühnt

Sieben Jahre in Haft müssen die Polizisten, die Khaled Said zu Tode prügelten und damit den Aufstand entfachten. Die Hinterbliebenen wollen ein neues Verfahren.

Prozess gegen ägyptischen Ex-Staatschef: Mubaraks Anwalt sucht deutsche Hilfe

Der Verteidiger des gestürzten Präsidenten Husni Mubarak will einen deutschen Arzt hinzuziehen. Dieser hatte Mubarak im März 2010 in der Uniklinik Heidelberg behandelt.

Revolutionstourismus in Ägypten: Leben in Kairo, lernen vom Tahrir

Der deutsche Aktivist Anton Allmer will den Ägyptern bei ihrer Revolution helfen und reist nach Kairo. Er bewegt wenig, lernt aber viel über Aktivismus.

Nach der Revolution in Ägypten: Mubarak kommt im August vor Gericht

Wegen Mordes und Korruption muss sich der gestürzte ägyptische Staatschef vor Gericht verantworten. Auch seinen Söhnen Gamal und Alaa wird der Prozess gemacht.

Foltervorwürfe gegen Ägyptens Militär: Militärrat mag die Medien nicht

Ein Blogger und zwei Journalisten werden vor Gericht zitiert, weil sie die neue Führung des Landes kritisiert haben. Die Armee schränkt die Berichterstattung ein.

Aus "Le Monde diplomatique": Die palästinensische Harmonie-Revolte

In Ramallah und Gaza ist der "arabische Frühling" spät gekommen – mit besonderen Forderungen: Junge Palästinenser wollen von ihren Politikern weniger Streit.

"Tag der Wut" in Ägypten: Noch keine "zweite Revolution"

Ohne Muslimbrüder, dafür klar gegen das Militär: Die Demos an diesem Freitag markieren ein Bruch der Bewegung in Ägypten. Und die Teilnehmerzahlen sinken.