taz.de -- Gewalt im Frauenfußball: „Kein männliches Privileg“

Gunter A. Pilz gilt als Deutschlands renommiertester Fan-Forscher. Ein Gespräch über weibliche Hooligans, lange Fingernägel und enthemmte Gewalt außerhalb der Fußballstadien.
Bild: Kein Mädchentennis: Vicky Exley kriegt was ab von Eva Gonzalez (r.) und Mariela Coronel beim Gruppenspiel England gegen Argentinien bei der WM 2007.

taz: Herr Pilz, Gewalt im Frauenfußball – gibt es so etwas überhaupt?

Gunter A. Pilz: Natürlich gibt es das. Allerdings ist der Frauenfußball mit dem Männerfußball nicht zu vergleichen, vor allem nicht, was die gesellschaftliche Aufmerksamkeit angeht. Es geht im Männerfußball um viel mehr – deshalb ist dort die Gewalt auch größer.

Heißt das, Gewalt gibt es vor allem dort, wo der Preis am höchsten ist?

Grundsätzlich gilt: Je wichtiger das Ergebnis ist, desto schwieriger wird es, fair zu spielen.

Das aber gilt doch für Frauen und Männer gleichermaßen.

Auf jeden Fall. Das sieht man beim Boxen, beim Handball, in der Leichtathletik. Frauendoping etwa ist genauso weit verbreitet wie Männerdoping. Man kann nicht extrem erfolgreich sein und gleichzeitig auf jede Form von Aggressivität und Gewalt verzichten.

Nun gelten Frauen ja als schwächer . . .

. . . was sie rein körperlich aufgrund ihrer Statur und ihrer Kräfte auch sind. Aber es kommt auch auf die Sportart an. Beim Frauenhandball etwa werden vor Spielbeginn die Fingernägel kontrolliert, weil Frauen ihre Nägel gerne gegen die Gegnerinnen einsetzen. Frauen haben also auch ganz andere Waffen.

Fingernägel kommen im Fußball eher weniger zum Einsatz, aber so brutal wie die Männer gehen die Frauen doch wohl nicht miteinander um.

Oh doch, das täuscht. Frauenfußball ist ganz schön körperbetont geworden, was die Zweikämpfe angeht. Zudem wird Frauenfußball immer athletischer, da wird sich in den kommenden Jahren also noch einiges tun.

Frauen sind also gar nicht weniger gewalttätig als Männer?

Gewalt ist nicht das Privileg des männlichen Geschlechts, sondern hängt davon ab, in welchem Handlungssystem man sich bewegt. Wenn ich erfolgreich sein will, erreiche ich das nicht, indem ich lieb und nett bin. Wenn man andere Bereiche anschaut – häusliche Gewalt etwa – dann ist sehr deutlich, dass Frauen ähnlich gewalttätig sind wie Männer. Und was etwa psychische und verbale Gewalt wie Mobbing angeht, da sind Frauen den Männern haushoch überlegen.

Aber Hooligans und gewaltbereite Ultras gibt es im Frauenfußball nicht?

Nein, die gibt es nur bei den Männern. Das liegt schon alleine daran, dass Frauenfußball kein solches Massenphänomen ist. Hooligans suchen die Anonymität – die finden sie bei Frauenfußballspielen nicht, weil einfach nicht so viele Zuschauer da sind. Zudem sind Spiele von Frauen ein familiäres Ereignis, das Publikum ist viel gemischter, viele Kinder, viele Frauen. Eine ganz andere Atmosphäre. Allerdings gibt es durchaus Frauen, die als Hooligans im Männerfußball unterwegs sind. Dass auch Frauen gewalttätig sein können, hat schon der amerikanische Psychologe John Archer gesagt. Das sei der Preis der Emanzipation.

Hooligans finden beim Frauenfußball aber demnach niemanden, mit dem sie sich messen können?

Ja, so könnte man das sagen. Hooligans suchen natürlich Leute mit einer ähnlichen Grundeinstellung. Die finden sie dort nicht.

Die Sicherheitsvorkehrungen in den Stadien sind in den vergangenen Jahren immer weiter verschärft worden. Verlagert sich die Gewalt nach außen?

Ja, das ist so. Und damit wird es natürlich schwieriger, die Gewalt zu kontrollieren. Außerhalb der Stadien ist Gewalt viel enthemmter, sie unterliegt der sozialen Kontrolle nicht in gleichem Maße. Stadien sind überschaubar, es gibt Ordner, und man kann Störer relativ schnell dingfest machen. Das geht außerhalb natürlich nicht so einfach. Man kann nicht hinter jeden Fan einen Polizisten stellen.

10 Jun 2011

AUTOREN

Steffi Dobmeier

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