taz.de -- Ermittlungen zu Ehec: Übertragung durch Menschen umstritten

Mediziner kritisieren die Theorie, Ehec sei über den Menschen übertragen worden. Bei Frankfurt wurde der Erreger in einem Bach entdeckt. Wie er dahin kam, ist noch nicht geklärt.
Bild: Jetzt befürchtet man, der Ehec-Erreger könnte mit Wasser auf die Felder gelangen.

BERLIN/ROSTOCK dpa/dapd | Der Hygiene-Experte Klaus-Dieter Zastrow hat das Vorgehen der Behörden im Falle der Ehec-Epidemie erneut scharf kritisiert. Wer behaupte, der Keim könne von Menschen auf Lebensmittel übertragen werden, verstehe nichts von der Thematik, sagte der Chefarzt für Hygiene an den Vivantes-Kliniken Berlin der Nachrichtenagentur dapd.

So etwas könne allenfalls dann geschehen, wenn der an der Hand befindliche Stuhlgang auf ein Lebensmittel gebracht werde. Diese Form der Übertragung gelte dann auch für die Erreger von Cholera, Typhus, Salmonellen und Hepatitis A, fügte der Mediziner hinzu.

Das hessische Sozialministerium hatte am Freitag mitgeteilt, eine mit Ehec infizierte Mitarbeiterin eines nordhessischen Partyservices habe offenbar den Keim auf Lebensmittel übertragen. Daraufhin erkrankten 20 Teilnehmer einer Familienfeier an Ehec.

Nach dem Fund der aggressiven Ehec-Bakterien in einem Frankfurter Bach suchen Experten weiter die Quelle der Verunreinigung. Möglicherweise gelangten die Keime durch eine nahegelegene Kläranlage in das Gewässer. Kläranlangen verminderten zwar die im Abwasser enthaltenen Keime - "damit ist das Abwasser aber nicht hygienisch unbelastet", betonten die hessischen Behörden. Sie mahnten aber zur Besonnenheit. "Eine Verbindung des Baches zur öffentlichen Trinkwasserversorgung besteht nicht", sagte eine Sprecherin des hessischen Gesundheitsministeriums am Samstag. Es habe seither auch keine neuen Krankheitsfälle gegeben.

Der Münsteraner Ehec-Forscher Helge Karch glaubt, dass der gefährliche Darmkeim sich im Moment vermehrt in der Umwelt ablagert. "Viele Menschen scheiden derzeit den Erreger aus", sagte der Professor des Universitätsklinikums Münster (UKM) bei einem Besuch von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). "Dass der Keim jetzt im Wasser gefunden wurde, hat mich nicht überrascht." Über die Fäkalien von Ehec-Patienten könne das Bakterium in die Umwelt gelangen und sich dort einnisten. Der Erreger bilde eine Schleimschicht, in der er auch längere Zeiträume gut überstehe, sagte Karch.

19 Jun 2011

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