taz.de -- Kommentar Gaza-Flotille: Ein seltsamer Hass auf Israel

Es gibt heute, ein Jahr nach der Mavi Marmara, im Gazastreifen nur noch wenig, das es nicht gibt. Die Flotille-Aktivisten lassen das Gespür für das richtige Maß vermissen.

Zu Beginn hieß es, man wolle Hilfsgüter nach Gaza bringen, was sich auch aufgrund der Flotille 1 von vor einem Jahr erübrigt. Es gibt im Gazastreifen nur noch wenig, das es nicht gibt. Der Tod der Aktivisten, die auf der "Mavi Marmara" starben, hat zur Verbesserung der Lage beigetragen.

Dann sollte die Reise der Flotille 2 eine symbolische sein: Solidarität mit dem "Freiluftgefängnis" Gaza, was es seit der Öffnung der Grenze für den Personenverkehr nach Ägypten nun schon seit mehreren Wochen nicht mehr ist. Und dann geht es plötzlich gar nicht mehr um die Gazablockade, sondern um die Mauer im Westjordanland und um gewalttätige Siedler.

Es schließt sich nicht aus, für ein Ende der Besetzung des Westjordanlands und die Beendigung der Seeblockade einzutreten. Genauso denkbar wäre indes, gegen die Erschießungen syrischer Demonstranten zu demonstrieren und gegen die Jungfrauentests unter weiblichen Oppositionellen im Gefängnis von Kairo. Das jedoch scheint nicht ins Konzept der Gruppe zu passen. Spätestens seit dem Sechstagekrieg ist propalästinensisch sexy.

Ob politisch "in" oder nicht: Die Seeblockade muss enden. Nicht um Nahrungsmittel und Medikamente nach Gaza zu transportieren, sondern um palästinensische Produkte herauszuholen. Ohne den Export hat die Wirtschaft im Gazastreifen keine Chance. Die Menschen bleiben zu Armut und Abhängigkeit von internationalen Spenden verdammt.

Den Flotilleaktivisten mangelt es nicht nur an grundlegenden Informationen, sondern vor allem an einem Gespür für vernünftige Proportionen. Dabei verfolgen sie durchaus ein ehrenwertes Ziel. Nur: Gilt ihr Streben nach dem Ende der Besetzung wirklich nur dem unterdrückten Volk, oder spielt auch ein seltsamer Hass auf Israel eine Rolle? Wer einseitig Position bezieht, macht es sich zu leicht.

8 Jul 2011

AUTOREN

Susanne Knaul

ARTIKEL ZUM THEMA

Türkisch-israelische Beziehungen: Fahndung per Facebook

Der türkische Geheimdienst will über Online-Netzwerke jene israelischen Soldaten identifiziert haben, die 2010 die Mavi Marmara stürmten. Dabei halfen Fotos.

Eiszeit zwischen Türkei und Israel: Ankara bleibt bei hartem Kurs

Nach der Veröffentlichung des UN-Berichts zur Gaza-Flottille will Ankara den Fall rechtlich prüfen lassen. Zudem sollen türkische Schiffe im Mittelmeer geschützt werden.

Streit um Gaza-Hilfsschiff: Türkei weist Botschafter Israels aus

Der Vertreter Israels muss Ankara bis zum Mittwoch verlassen haben. Israel soll den Flottille-Opfern Wiedergutmachung zahlen, steht in einem UN-Bericht.

Israelische Marine greift ein: Gaza-Yacht geentert

Nur ein einziges Schiff der Hilfsflotte war unterwegs in Richtung Gazastreifen. Die Israelis haben die französische Yacht ohne Gewaltanwendung aufgebracht und umgeleitet.

Erstürmung der Gaza-Hilfsflotte: Israel erwägt Entschuldigung

Laut Medien überlegt Israels Regierung, sich bei der Türkei für den tödlichen Armee-Einsatz gegen die Gaza-Flotte vor einem Jahr zu entschuldigen. Ein juristisches Nachspiel soll so verhindert werden.

Debatte Palästina: Eine Frage der Souveränität

Benjamin Netanjahu behauptet, das Westjordanland stünde Israel historisch zu. Diese Haltung macht die UN-Resolution zur Gründung eines Palästinenserstaats nötig.

Massives Polizeiaufgebot in Tel Aviv: Israel fliegt Gaza-Aktivisten aus

Kaum gelandet, ging's wieder zurück nach Hause. Andere Gaza-Aktivisten gelangten gar nicht erst nach Israel. Aus Protest wurde in Paris der Flughafen besetzt.

Gaza-Hilfs-Flotille im Zwielicht: Die zweifelhaften Passagiere

Neun Menschen starben, als Israel die Schiffe stoppte. Doch so friedfertig, wie sie vorgaben, waren viele Aktivisten nicht. Die türkische Hilfsorganisation IHH hatte eigene Ziele.