taz.de -- Abhörskandal "News of the World": Detektiv gegen Geheimdienst
"News of the World" soll neben Soldatenwitwen und Mordopfern auch einen Agenten ausspioniert haben. Die Presseaufseherin ist derweil ihren Job los.
DUBLIN taz | Die News of the World soll nicht nur 6.000 Telefone von Prominenten, Soldatenwitwen und Mordopfern angezapft, sondern auch mithilfe von Trojaner-E-Mails auch Computer ausspioniert haben. Scotland Yard untersucht Hinweise, dass das inzwischen eingestellte britische Boulevardblatt unter anderem den Rechner eines früheren Geheimagenten überwacht hat.
Der Privatdetektiv Glenn Mulcaire, der für das Abhören der Telefone verantwortlich war, sagte am Wochenende, dass er stets im Auftrag der News of the World gehandelt habe. Er sei bei dem Blatt "faktisch angestellt" gewesen. Mulcaire reagierte mit seiner Aussage auf Enthüllungen, dass er auch das Telefon von Sara Payne, deren achtjährige Tochter Sarah im Jahr 2000 ermordet wurde, abgehört habe. Der Privatdetektiv war 2007 gemeinsam mit dem Königshausreporter Clive Goodman zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil er das Handy von Prinz William angezapft hatte.
James Murdoch, der Sohn des Verlegers Rupert Murdoch und Leiter des britischen und asiatischen Zweigs des Medienimperiums, soll über Mulcaires illegale Aktivitäten Bescheid gewusst haben. Ehemalige leitende Angestellte der News of the World haben James Murdochs Aussage vor dem Unterhausausschuss vom 19. Juli als unwahr bezeichnet.
Der ehemalige Chefredakteur Colin Myler sowie der juristische Berater des Blattes, Tom Crone, sagten, sie haben ihm eine E-Mail vorgelegt, aus der hervorging, dass der Chefreporter des Blattes, Neville Thurlbeck, in Mulcaires ausgedehnte Aktivitäten eingeweiht war. Murdoch soll deshalb demnächst erneut vor den Unterhausausschuss geladen werden.
Ungemütlich für Cameron
Der Abhörskandal hat am Wochenende einen weiteren prominenten Rücktritt ausgelöst, nachdem bereits mehrere leitende Angestellte des Blattes sowie die beiden höchsten Beamten von Scotland Yard abgetreten sind. Baronin Peta Buscombe gibt ihren Posten als Vorsitzende der Presseaufsichtsbehörde auf, sobald ein Nachfolger gefunden ist. Die Anwältin, die für die Tories im Oberhaus sitzt, war kritisiert worden, weil sie bei der Abhöraffäre versagt habe.
Sie hatte im Jahr 2009 einen Bericht veröffentlicht, wonach lediglich ein Reporter der News of the World für die illegalen Methoden verantwortlich sei, obwohl der Guardian Beweise für viel ausgedehntere Aktivitäten vorgelegt hatte. Labour-Oppositionsführer Ed Miliband beschrieb die Institution als "zahnlosen Schoßhund", Premierminister David Cameron bezeichnete sie als "ineffektiv".
Für Cameron wird die Sache immer ungemütlicher. Die Labour Party hat am Wochenende Auskunft darüber verlangt, ob Andy Coulson Zugang zu Dokumenten hatte, die nur für Regierungsbeamte mit der höchsten Stufe der Sicherheitsüberprüfung bestimmt waren. Coulson war seit 2003 Chefredakteur der NotW, musste aber 2007 zurücktreten, nachdem Mulcaire und Goodman wegen des Anzapfens von Prinz Williams Handy verurteilt worden waren. Cameron machte ihn danach zu seinem Berater und nach dem Tory-Wahlsieg im vorigen Jahr zum Regierungssprecher, ohne ihn einer genauen Sicherheitsüberprüfung unterziehen zu lassen. Im Januar trat Coulson zurück, nachdem er immer tiefer in den Skandal hineingezogen wurde.
Die Labour Party will nun wissen, ob Coulson jemals an Sitzungen des nationalen Sicherheitsrats teilgenommen hat. Der Guardian behauptet, dass das mindestens einmal geschehen sei. Außerdem soll sich Cameron dazu äußern, ob er an der Entscheidung beteiligt war, Coulson nicht eingehender zu überprüfen. Bisher hat der Premierminister die Antworten verweigert.
Prinz William übrigens soll sich der Londoner Zeitung The Times zufolge im Januar während eines Essens mit James Murdoch und der früheren NotW-Chefredakteurin Rebekah Brooks darüber beklagt haben, dass sich niemand bei ihm für das heimliche Telefonabhören entschuldigt habe. Beide hätte sich daraufhin beim Prinzen entschuldigt.
1 Aug 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Skandal hin oder her: Murdoch, 80-jähriger Medienmogul, wurde als Alleinherrscher der News Corporation bestätigt. Und selbst die Geschäftszahlen sind glänzend.
Nun gibt es Abhörvorwürfe gegen eine zweite britische Boulevardzeitung: Journalisten des "Mirror" werden beschuldigt, Mailboxen angezapft zu haben.
Die "News of the World" sei eine großartige Zeitung gewesen, sagt James Alan Anslow. Er arbeitete bei dem kürzlich eingestellten Boulevardblatt und fühlt sich heute stigmatisiert.
David Wooding, Ex-Redakteur der "News of the World" über den Tag, an dem seine Zeitung eingestellt wurde, den Ruf des britischen Journalismus und die Verantwortung von Rupert Murdoch.
Medienmogul Rupert Murdoch hat bislang wegen des Abhörskandals bei "News of the World" vier Milliarden Dollar ausgegeben. Ein Großteil seien offenbar Investitionen in die Aktienkurspflege.
Der Sohn von Medienmogul Rupert Murdoch ist in Nöten. Ehemalige Mitarbeiter von "News of the World" behaupten, er habe vor dem Ausschuss des britischen Parlaments falsche Aussagen gemacht.
Der Murdoch-Skandal strahlt bislang kaum auf andere Länder aus. Murdoch Junior wird schon bald ein prosperierendes Unternehmen übernehmen.