taz.de -- Bewegung im Nahost-Konflikt: Israels Premier wird nachgiebiger
Netanjahu will doch auf den Vorschlag eingehen, die Grenzen von 1967 als Basis für neue Gespräche zu nehmen. Die einseitige UN- Anerkennung eines Palästinenserstaates soll so verhindert werden.
TEL AVIV/JERUSALEM afp/dpa | Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat seinen Widerstand gegen Friedensvorschläge von US-Präsident Barack Obama offenbar aufgegeben. Einen Monat vor dem geplanten Antrag der Palästinenser auf Aufnahme in die Vereinten Nationen deutete ein Regierungsvertreter in Jerusalem am Dienstag an, Israel sei zu Verhandlungen auf der Grundlage der Grenzen vor dem Sechstagekrieg von 1967 mit entsprechendem Gebietsaustausch bereit.
Israel arbeite eng mit den USA zusammen, um eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche zu ermöglichen. Eine offizielle Äußerung der Regierung gab es zunächst nicht. Der Berater des palästinensischen Präsidenten Machmud Abbas, Nabil Schaat, bezeichnete die Äußerungen jedoch als bedeutungslos. "Netanjahu hat nichts anzubieten", sagte er.
Als Obama in einer Rede am 22. Mai in Washington die Grenzen von 1967 mit Gebietsaustausch als Ausgangsbasis für Gespräche genannt hatte, war er bei Netanjahu noch auf entschiedenen Widerstand gestoßen. Die Grenzen von 1967 seien nicht zu verteidigen, hatte Netanjahu seine Ablehnung damals begründet.
Nun sagte der Regierungsvertreter, der seinen Namen nicht genannt haben wollte, jedoch: "Israel würde eine Sprachregelung zur Grenzfrage nicht zurückweisen, die derjenigen in Obamas Rede vor der AIPAC (jüdischer Lobbyverband in den USA) ähnelt." Zugleich aber müsse natürlich auch festgelegt sein, dass das Ziel der Verhandlungen "zwei Staaten für zwei Völker mit einem jüdischen Staat Seite an Seite mit einem palästinensischen Staat" sein müsse.
Geschaffene "Tatsachen" berücksichtigen
Bei Verhandlungen über den Grenzverlauf müssten dann auch die in den vergangenen 40 Jahren geschaffenen "Tatsachen" berücksichtigt werden, sagte er mit Blick auf die jüdischen Siedlungen im Westjordanland und Ost-Jerusalem.
Israel sei aber bereit, "schwierige" Bedingungen für Gespräche zu akzeptieren. "Wir gehen davon aus, dass die Palästinenser ihr Vorhaben für eine einseitige Anerkennung eines Staates in den Vereinten Nationen aufgeben, wenn wir (mit der Wiederaufnahme der Friedensgespräche) Erfolg haben", fügte der Regierungsvertreter hinzu. Israel sei im Gegenzug bereit, sich "flexibel und kreativ" zu zeigen.
Die Grenzen von 1967 umfassen das gesamte Westjordanland, den arabischen Ostteil Jerusalems und den Gazastreifen. Der Status von Jerusalem wie auch der israelische Siedlungsbau im Westjordanland sind wichtige Streitpunkte in den festgefahrenen Friedensverhandlungen. Die Palästinenser wollen angesichts des Stillstands im Herbst die Anerkennung eines unabhängigen Palästinenserstaats durch die UN-Vollversammlung erreichen. Allerdings haben die USA bereits vor einem Alleingang gewarnt.
2 Aug 2011
ARTIKEL ZUM THEMA
1.600 neue Wohnungen sollen im Südosten Jerusalems gebaut werden. Offiziell, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Doch die Siedlungen sind illegal.
Israel in Aufruhr: In Tel Aviv hat die größte Kundgebung gegen soziale Missstände in der Geschichte des Landes stattgefunden. Ministerpräsident Netanjahu zeigt sich kompromissbereit.
Der Protest gegen steigende Lebenshaltungskosten in Israel geht weiter – 150.000 Angestellte der Behörden streiken. An der Grenze zum Libanon kam es indes zu einem Schusswechsel.
Mieterhöhungen, Kinderbetreuung, Spritpreise: Hunderttausende demonstrieren für soziale Gerechtigkeit und errichten Zeltstädte – auch palästinensische Israelis machen mit.
In zehn Städten demonstrierten am Samstag die Menschen gegen soziale Ungleichheit und steigende Lebenshaltungskosten. Auch die arabische Minderheit beteiligte sich. Netanjahu gerät unter Druck.