taz.de -- Kommentar Aufstand in Syrien: Assad muss handeln
Ein einfaches Telefonat des UN-Generalsekretärs mit dem syrischen Präsidenten wird nichts an dessen Vorgehen ändern. Für die Vereinten Nationen ist das Ganze peinlich.
Die Brutalität, mit der das syrische Regime der eigenen Bevölkerung zusetzt, kann man auf den derzeit kursierenden YouTube-Videos bestenfalls erahnen. Dennoch vermitteln sie selbst einem Außenstehenden, dass diejenigen, die in Syrien geschunden wurden und werden, sich nicht von einem Telefonat zwischen einem UN-Generalsekretär und einem Präsidenten beeindrucken lassen. An die von Baschar al-Assad angekündigte Selbstverwandlung vom Schlächter in einen achtbaren politischen Führer glaubt in Syrien niemand.
Al-Assad und sein Regime mögen noch die Macht und die Mittel haben, weitere zwei- oder auch zehntausend Menschen zu töten. Aber das Vertrauen des Volkes wird dieses Regime nie wiedergewinnen können. Zu oft ist den Reformversprechungen nichts anderes gefolgt als neues und größeres Blutvergießen.
Das Regime ist in die Enge getrieben. Der UN-Sicherheitsrat wird sich einer Resolution zur Verurteilung Syriens nicht endlos entziehen können. Der UN-Menschenrechtsrat in Genf dürfte die syrische "Mordmaschinerie" nächste Woche demonstrativ an den Pranger stellen. Assad muss handeln, um dem drohenden Kesseltreiben von innen und außen zu begegnen. Also macht er, was er am besten kann: Versprechungen. Die waren bis jetzt folgenlos. Und das werden sie auch weiterhin bleiben.
Sollten sich nämlich seine Armee, seine Miliz, seine Geheimdienst- und Schlägertrupps tatsächlich zurückziehen, gehörte ab morgen das Feld den Demonstranten. Assad wäre bestenfalls noch Bürgermeister von Damaskus, aber auch das nur für kurze Zeit.
Peinlich für die Vereinten Nationen ist die Veröffentlichung des Telefonats mit Assad, weil der UN-Generalsekretär damit so tut, als könne man Assad und seinen Versprechungen auch nur einen Funken Glauben schenken. Die UN sollte die politische Distanz zu einem blutrünstigen Regime auch in der Form wahren.
18 Aug 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Karikaturist Ali Farzat stellt in seinen Zeichnungen die Heuchelei und Brutalität der Machthaber in der Region bloß. Nun liegt er verletzt im Krankenhaus.
Die EU-Staaten legen einen Resolutionsentwurf für Sanktionen gegen Assads Regime vor. Der UN-Menschenrechtsrat beschließt eine Untersuchung von Menschenrechtsverbrechen.
Das syrische Regime zeigt sich gelassen angesichts der Rücktrittsforderungen des Westens. Deutschland und andere europäische Staaten wollen UN-Sanktionen durchsetzen.
Der syrische Präsident hat dem UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Reformen und Wahlen zugesagt. US-Präsident Obama und die EU fordern derweil Assads Rücktritt.
Assad schiebt seine Truppen von einem Brennpunkt zum nächsten. Deutschland und die Türkei wollen den Druck auf das syrische Regime erhöhen, Russland liefert weiter Waffen.
Die syrische Armee hat ihre Angriffe auf die Hafenstadt Latakia fortgesetzt. Betroffen ist auch das palästinensische Flüchtlingslager al Raml in einem Vorort der Protesthochburg.
Vor fünf Monaten begannen die Proteste in Syrien. In Damaskus blieb es weitgehend ruhig, doch diskutiert wird überall. Eine Begegnung mit Oppositionellen.