taz.de -- Kommentar Der Westen und Libyen: Besser machen als in Bagdad

In Libyen muss der Westen die Fehler aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan vermeiden. Es gilt, Gaddafis Anhänger ins Machtgefüge zu integrieren.

Spätestens mit der Einnahme von Bab al-Asisija, seiner Machtzentrale in Tripolis, ist in ganz Libyen die Zeit nach Gaddafi angebrochen. Das ist eine gute Nachricht - und es ist auch ein Erfolg für die Nato, ohne deren Unterstützung der rasche Vorstoß der Rebellen auf die Hauptstadt wohl kaum möglich gewesen wäre. Nun trägt der Westen eine enorme Mitverantwortung, auf ein baldiges Ende der Kämpfe zu dringen und für einen möglichst geordneten Übergang zu einer neuen Ordnung zu sorgen.

Ehrlicherweise muss man zugeben, dass der Schutz der Zivilbevölkerung nicht das vordringliche Ziel der Intervention war. Es ging um einen Regimewechsel und den Sturz eines verhassten Diktators, der weltweit nur noch wenig Freunde hatte. Wie viele zivile Opfer dieser Bürgerkrieg gekostet hat - und wie viele davon auf das Konto der Nato-Bombardements oder der Rebellen gehen -, werden wir wohl nie genau erfahren. Allein der Kampf um Tripolis aber hat bis Mittwoch über 400 Todesopfer gekostet.

In Libyen muss der Westen nun versuchen, die Fehler aus den Kriegen im Irak und Afghanistan zu vermeiden. Es war erstaunlich genug, dass es Frankreich, Großbritannien und die USA nach diesen ernüchternden Erfahrungen überhaupt gewagt haben, ein weiteres ungeliebtes Regime stürzen zu wollen. Sie waren klug genug, diesmal auf den Einsatz von Bodentruppen zu verzichten, was eine Eskalation bedeutet hätte, sondern beschränkten sich darauf, die Rebellen politisch, logistisch sowie mit Kampffliegern aus der Luft zu unterstützen. Am Ende hat das ausgereicht.

Nun gilt es, die verbliebenen Gaddafi-Anhänger zur endgültigen Aufgabe zu bewegen. Dazu muss man ihnen in Aussicht stellen, sie so weit es geht in ein künftiges Machtgefüge zu integrieren - und verhindern, dass es zu Racheexzessen kommt. Der Irak und Afghanistan haben drastisch vor Augen geführt, was passiert, wenn ein solcher Ausgleich nicht gelingt: Das Blutvergießen dort hält bis heute an.

24 Aug 2011

AUTOREN

Daniel Bax

ARTIKEL ZUM THEMA

Gaddafis Bunker in Tripolis: Ein bombensicheres Versteck

Jugoslawien baute bis 1990 die Bunkeranlage in Tripolis. Selbst der Nato wird es schwerfallen, den Bau zu knacken, sagt ein hoher Funktionär, der daran beteiligt war.

Kampf um Tripolis: Vier entführte Journalisten wieder frei

Kämpfer Gaddafis leisten weiter erbitterten Widerstand in Tripolis. Die Krankenhäuser der Hauptstadt sind mittlerweile mit Verwundeten überfüllt, an Ärzten mangelt es.

Ethnologe über die Stämme in Libyen: "Sie sind Politikprofis"

Welche Rolle haben die Stämme im Aufstand gespielt, welche könnten sie künftig spielen? Der Libyen-Kenner Thomas Hüsken über ihre Strukturen und den neuen Generationenkonflikt.

Krieg in Libyen: Kein Ende der Kämpfe in Sicht

In Tripolis toben Gefechte um den Flughafen. Im Westen Libyens attackieren Gaddafis Truppen die Stadt Suara. Und Südafrika sperrt sich gegen die Freigabe eingefrorener Gelder an die Rebellen.

Gaddafis gesperrtes Geld: Die Welt hat ein Faustpfand

Internationale Planspiele zur Unterstützung des neuen Libyen laufen an. Weltweit sind 30 Milliarden US-Dollar eingefroren. Wer kriegt sie und wann?

Kampf um Tripolis: Journalisten wieder frei

Die Kämpfe in Tripolis dauern an, die in einem Hotel festgehaltenen ausländischen Journalisten sind aber wieder frei. WikiLeaks stellt derweil US-Dokumente über Libyen online.

Libyen nach Gaddafi: Wahlen in acht Monaten

Die Aufständischen kündigen Wahlen an. Prinz Mohammed al-Senussi will nach 20 Jahren Exil zurück nach Libyen. In Tripolis werden ausländische Journalisten in einem Hotel festgehalten.

Libyen nach Gaddafi: Westerwelle will wieder mitspielen

Außenminister Guido Westerwelle sieht Deutschland in einer Schlüsselrolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung Libyens. Muammar al-Gaddafi will unerkannt durch Tripolis gelaufen sein.

Aufstand in Libyen: "Nur ein taktischer Rückzug"

Noch immer ist der libysche Machthaber Muammar el Gaddafi in Tripolis nicht aufzufinden. Die Preisgabe seines Hauptquartiers habe nichts zu bedeuten, sagt er. Die Rebellen rücken auf Sirte vor.

Französische Blogger über Libyen: Frankreichs Sieg über „Kadhafi“

Freude bei den Befürwortern des Einsatzes in Libyen, Erleichterung bei allen. Französische Journalisten und Blogger diskutieren über EU, Öl und Intellektuelle.