taz.de -- Führungskrise Linkspartei: Gereizte Stimmung
Exparteichef Lafontaine kommt zur Fraktionsklausur und nährt so Spekulationen. Die Tage der aktuellen Führung scheinen gezählt. Aber wer soll folgen?
BERLIN taz | Ulrich Maurer, parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Linkspartei, ist ein Vertrauter des Exparteichefs Oskar Lafontaine. Zu dem verunglückten Glückwunsch der Linkspartei-Spitze Gesine Lötzsch und Klaus Ernst an Fidel Castro sagte Maurer stern.de: "Wir können uns Dummheiten, wie sie in der Linkspartei stattgefunden haben, nicht mehr leisten." Im Übrigen hätten Ernst und Lötzsch "den Jubelbrief nach Kuba gar nicht zu sehen bekommen", sondern Unterschriftenautomaten den Text unterzeichnet.
Dummheiten? Parteichefs, die ihre Unterschriftenautomaten nicht unter Kontrolle haben? Maurer versicherte zwar umgehend, seine Kritik sei nicht auf Ernst und Lötzsch gemünzt gewesen, doch das Interview verstärkt den Eindruck, den sowieso viele in der Partei haben. Mit dieser Führung geht es nicht mehr weiter. Wie dann?
Die Frage beflügelt Spekulationen. Eine Nachrichtenagentur meldete am Donnerstagnachmittag schon mal, dass vor ein paar Monaten Fraktionschef Gregor Gysi die Rückkehr von Exparteichef Oskar Lafontaine nicht völlig ausgeschlossen hatte. Am Wochenende findet in Rostock die Klausur der Bundestagsfraktion der Linkspartei statt – mit Oskar Lafontaine, der mit Heiner Flassbeck als Finanzexperte auftreten wird. Lafontaine, hört man, sei "sauer" über die Selbstbeschäftigung der Partei.
Manche erinnert die gereizte Stimmung in der Partei an jene in der PDS 2003, als der Flügelstreit eskalierte und Wahlen verloren gingen. Damals trat die Übergangsvorsitzende Gaby Zimmer zurück, Exparteichef Lothar Bisky kehrte zurück und moderierte die Konflikte. Aber will Lafontaine überhaupt zurück? Antwort: Kaum.
Wie es aussieht, bleiben Ernst und Lötzsch Linkspartei-Chefs auf Abruf. Wenn die Wahlen in Mecklenburg und Berlin indes übel enden, wird der Streit zwischen Pragmatikern und Fundis eskalieren. Ein Genosse, der nicht genannt werden will, meint, die Lage sei bizarr. Alle würden "wissen, dass die beiden an der Spitze der Partei keine Zukunft mehr haben – alle, nur Klaus Ernst und Gesine Lötzsch nicht."
25 Aug 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Nach zweieinhalb Jahren hört Lothar Bisky als Chef der Europäischen Linken auf. Er verkörpere nicht mehr die Zukunft, erklärte er und schlägt gleich seine Nachfolgerin vor.
Wie ticken Ossis und Wessis? Sehr unterschiedlich? Oder ähnlicher als gedacht? Eine Studie der Linken vergleicht Ostdeutschland mit Nordrhein-Westfalen.
Nach Mauerstreit und Castro-Brief warnt der Fraktionschef vor neuer Personaldiskussion. Und gibt sich demonstrativ optimistisch.
Unruhe vor dem Sturm: die Querelen bei der Linkspartei nehmen vor den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin kein Ende.
Nein, die Parteichefs habe er nicht damit gemeint, so Ulrich Maurer. Doch warnt der Bundestags-Fraktionsvize der Linken Lötzsch und Ernst vor einer Fortführung der Debatte um Mauer und Castro.
Derzeit wird alles gegen die Linken verwendet – dabei ist der Geburtstagsgruß an Kubas Staatschef Fidel Castro gar kein Skandal, meint Bodo Ramelow.
Dieses Mal ist es der Geburtstagsgruß an Fidel Castro: Mitten im Wahlkampf muss die Linkspartei die nächste unangenehme Debatte kleinreden.
In der Linkspartei kann jeder ungestraft jeden Unfug von sich geben. Der Castro-Gruß zeigt: In der Parteispitze verbindet sich Gedankenlosigkeit und Mangel an politischem Talent.
Neue Aufregung in der Linkspartei: In einem Glückwunschschreiben an den Máximo Líder gratulieren Ernst und Lötzsch Fidel Castro zu einem "kampferfüllten Wirken". Die CDU findet das "peinlich".