taz.de -- Ägypten droht Israel: Friedensvertrag ist "nicht heilig"

Die Übergangsregierung in Kairo stellt den Friedensvertrag mit Israel zur Disposition. Jerusalem hält dagegen, der Vertrag werde unter keinen Umständen angetastet.
Bild: Essam Scharaf: Chef der ägyptischen Übergangsregierung.

JERUSALEM taz | Eine Woche bevor Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vor die UNO zieht, um eine volle Mitgliedschaft für den Palästinenserstaat zu beantragen, versetzt die Übergangsregierung in Kairo Israel einen warnenden Seitenhieb. Der vor 32 Jahren von Israel und Ägypten vereinbarte Friedensvertrag sei "nicht heilig", erklärte Regierungschef Essam Scharaf in einem Interview mit türkischen Journalisten. Das israelische Außenamt berief darauf gestern den ägyptischen Botschafter ein. Der Friedensvertrag werde "unter keinen Umständen angetastet", verlautete aus Jerusalem.

Erst am letzten Wochenende hatte der israelische Botschafter vor einem erzürnten Mob in Kairo fliehen müssen. Im Westjordanland wurde gestern ein Palästinenser von israelischen Siedlern erschossen. Die blutige Auseinandersetzung, bei der einer der Israelis Stichwunden davontrug, ereignete sich im Süden der Stadt Nablus.

Nach Informationen der palästinensischen Tageszeitung al-Hayat will Abbas am kommenden Freitag vor der UNO zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit Israel aufrufen. Kernthemen wie Jerusalem, Flüchtlinge und Siedlungen sollen innerhalb sechs Monate behandelt werden. Der PLO-Antrag vor der UNO um staatliche Anerkennung stehe einer Wiederaufnahme von Verhandlungen nicht im Wege. "Im Gegenteil", sagte der palästinensische Außenminister Riad al-Maliki diese Woche, "wir wollen die Zweistaatenlösung retten."

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu befürwortet offenbar eine Aufwertung der Palästinensischen Autonomiebehörde, wehrt sich indes gegen die Anerkennung Palästinas als Staat. Die Sorge in Jerusalem gilt möglichen Rechtsverfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Auch Netanjahu will nächste Woche vor der UNO sprechen.

16 Sep 2011

AUTOREN

Susanne Knaul

ARTIKEL ZUM THEMA

Nach der Revolution in Ägypten: Frust statt Freiheit auf dem Tahrir

In Kairo geht die Demokratiebewegung wieder auf die Straße – jetzt gegen das herrschende Militär. Denn dieses kehrt zunehmend zurück zu den Methoden Mubaraks.

Israelische Arbeitspartei: Jachimowich wird Chefin

Jachimowich soll den Niedergang der israelischen Arbeiterpartei stoppen. Die als streitlustig geltende ehemalige Journalistin ist die erste Frau an der Parteispitze seit Golda Meir.

Moshe Zimmermann über Frieden in Nahost: "Man muss für die UN-Resolution sein"

Die israelische Regierung ist gegen alles, was zu einer Gründung eines Staates für die Palästinenser führen könnte, sagt der Historiker Moshe Zimmermann.

Deutsche Nahostpolitik: Berlin will "Vatikanlösung"

Die Bundesregierung lehnt die volle Anerkennung eines Staates Palästina ab. Einer Aufwertung in der UN-Vollversammlung würden die meisten deutschen Parteien aber zustimmen.

Friedensprozess im Nahen Osten: Staat ohne Alternative

Die PLO will nächste Woche in New York beantragen, Vollmitglied der Vereinten Nationen zu werden. Das kündigte Außenminister Maliki an und beendet damit alle Spekulation.

Kommentar Palästina: Zurück auf Los

Die Palästinenser wollen ihren Staat bei der Uno anerkannt wissen. Dafür riskieren sie auch ein Ende der Finanzhilfen aus den USA. Das ist mutig - aber keinesfalls vermessen.

Reaktion auf Palästina-Antrag bei UN: Israels Drohgebärden

Sollten die Palästinenser bei der UN die Anerkennung eines eigenen Staates beantragen, droht Israel mit "gravierenden Konsequenzen". Sämtliche Verträge könnten aufgehoben werden.