taz.de -- Kommentar Piratenpartei: Protest allein reicht nicht

In der Politik halten sich auf Dauer nur Parteien, die in einem breiten Spektrum inhaltliche und personelle Kompetenz anbieten können oder zumindest so tun.
Bild: Wikileaks-Gründers Julian Assange ist als Maske dabei: die Hamburger Piraten in ihrer ehemaligen Parteizentrale.

Dagegen sein geht nicht lange gut. Nur ein Thema zu haben, hält kaum länger vor. In der Politik halten sich auf Dauer nur Parteien, die in einem breiten Spektrum inhaltliche und personelle Kompetenz anbieten können oder zumindest so tun. Dass die Piratenpartei dazu gehört, darf füglich bezweifelt werden.

Die politische Geschichte der Bundesrepublik und ihrer Bundesländer lehrt, dass nachvollziehbare Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien nicht ausreicht, um eine strukturelle Alternative zu sein. Entsprechend lang ist die Liste der politischen Eintagsfliegen wie Statt-Partei oder Schill, denen niemand hinterhertrauert.

Nur zwei Protestparteien haben es geschafft, dauerhaft zu überleben: Grüne und Linke. Dafür gelten auch sie jetzt als muffige Alt-Parteien, denen der Charme der frühen Jahre abhanden gekommen ist. Das geht allen spätestens dann so, wenn sie erstmals den Grundsatz des Opponierens aufgeben und sich der Mühe unterziehen, Antworten zu geben statt nur Fragen zu stellen. Das ist der Preis, den sie alle zahlen müssen.

Die Piraten mögen Chancen in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg haben. Da aber dauert es bis zur nächsten Wahl noch ein paar Jährchen. In den Flächenländern im Norden sind lediglich ein paar Sitze in einigen Kommunen zu erobern - mehr wohl kaum.

Das wird nicht die Erfüllung aller Träume sein. So aber sieht sie aus, die triste reale Welt.

19 Sep 2011

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Sven-Michael Veit

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Schwerpunkt Wahlen in Berlin

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