taz.de -- Spekulieren über die Piraten: Sorge und Klischees
Über die Piraten-Partei wird lebhaft diskutiert. Eine These jagt die nächste - von überflüssig bis gefährlich. Eins haben sie bereits erreicht: Jeder will über sie reden.
BERLIN dapd/taz/dpa | Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele sieht in der Piratenpartei nach ihrem Erfolg bei der Berlin-Wahl eine Gefahr für die Grünen. "Es ist falsch zu sagen, dass die Piraten nur von den ganz Jungen gewählt werden", sagte er der Onlineausgabe der Mitteldeutschen Zeitung. "Bei mir im Wahlkreis haben die 14 Prozent bekommen. Das heißt, sie haben auch die Grünen erheblich Stimmen gekostet."
Ströbele fügte hinzu: "Im Übrigen praktizieren die Piraten Formen der öffentlichen Auseinandersetzung und des Wahlkampfes, die früher mal bei den Grünen zu Hause waren - selbstkritisch und pfiffig." In jedem Fall seien die Piraten für die Grünen eine Herausforderung.
Ströbele ist nicht der Einzige, der über die Piraten spekuliert. Auch in der Talkshow Anne Will waren sie am Mittwochabend Thema. Unter dem Motto "Piraten entern Berlin - Meuterei auf der "Deutschland"?" wurde über die neue Partei diskutiert.
Neben etlichen Seefahrtsklischees gab es auch eine inhaltliche Diskussion. Roger Willemsen schränkte die Bedeutung der Partei ein. Er sah sie als "urbanes Phänomen" und warf die Frage auf, ob sie nicht nur die Interessen von Großstädtern vertreten würden. Die Grüne Bärbel Höhn fand bei den Piraten nichts Neues oder Besonderes: "Bei uns twittern auch Leute."
Sie hätten in der grünen Jugend viele junge, aktive Menschen. Peter Altmann von der CDU lobte die Piraten. Sie hätten einen sensiblen "Punkt erwischt, den anderen nicht kapiert haben: Die Bedeutung des Internet."
Es wird aber nicht nur das Programm der Partei diskutiert, auch die blaue Latzhose eines Abgeordneten sorgt für Aufregung. Die Kleidung müsse der Würde des Hauses angemessen sein, sagte die Sprecherin der Parlamentsverwaltung der dpa. Ob die unkonventionelle Kleidung mancher Abgeordneter auf Missfallen stöße, müsse das neue Präsidium des Abgeordnetenhauses entscheiden.
Jeanette Hofmann vom Wissenschaftszentrum Berlin glaubt, dass der Erfolg der Piraten grundlegend einen positiven Effekt hat. "Es wird die anderen Parteien wach rütteln", sagte die Politologin der dpa.
22 Sep 2011
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